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Einmal auf der Welt. Und dann so

Einmal auf der Welt. Und dann so

Titel: Einmal auf der Welt. Und dann so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Stadler
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musste längst stattgefunden haben, aber niemand hatte mir etwas gesagt davon. Es wurde ja nie viel geredet bei uns. Wahrscheinlich hat der eine, der dieses Datum kannte, ohne den Amtsbrief öffnen zu müssen, die andere, Ahnungslose, in jener Woche beiseitegeschafft, um das alles nicht mit ansehen zu müssen, fuhr mit ihr im Mercedes wie immer in die schönen Berge, ins Dorf Tirol, oberhalb von Meran, wo es auch schön war, und am Nachmittag konnten sie schon draußen sitzen beim Wein und auf das Tal hinunterschauen und träumen mit dem Satz »Es klappt schon noch« auf der Zunge und hätten das Gedicht Brief nach Meran zitieren können: »Dem Tal den Schimmer und dem Ich den Traum«.
    Währenddessen waren also die Vermesser bei uns gewesen und hatten in meinem Zimmer gewühlt mit ihren Blicken, Messlatten und Notizbüchern.
    Das Verfahren lief.
    Ziemlich gedankenlos dachte ich, dass das Ende »wie ein Damoklesschwert« über uns hing. Denn von Damokles wusste ich gar nichts.
    Ja, das hatte mich alles früh zermürbt, die Raiffeisenbank und ihre jahrelangen Nachstellungen vielleicht sogar am meisten, die Angst vor der Angst, sagen zu müssen: »Ich kann nicht bezahlen!«, um dann von einem Scharfrichter dieser Welt hingerichtet zu werden, gevierteilt, und zu sterben.
    Auch nach dem Verkauf der Kühe war die Beschlagnahmung, die Haft oder Geiselnahme durch dieses Damoklesschwert weitergegangen, jene Fanalgeschichte mit dem Konzern, der immer noch den Namen des wunderbaren Raiffeisen trug, welcher es einst mit den Verschuldeten, die auf dem Land über die Welt verteilt lebten, so gut gemeint hatte.
    Immer wieder konnte das drohende Ende abgewehrt werden. Das war vor allem wegen der Kreuzlinger Tante, die ihr Geld, das bei ihr immer wieder geholt wurde, wenn von Bantle sich wieder einmal nach dem Zahlungsziel erkundigte, hätte genauso gut in den See hinter ihrer Pferdemetzgerei werfen können. Es sollte noch auf Jahre hin so weitergehen; und im Himmelreich war man sich unsicher, was besser wäre: der Transfer der kleineren Summen, ja Lebensmittel, von Nudeln und Gewürzen, von Schokolade und von Käse - oder der Tod, der uns hätte aufatmen lassen können, der uns auf Jahre hinaus das Leben gerettet hätte.
    Wie auch immer: Über die Jahre hin hatte, vor allem dank der Kreuzlinger Tante, die Offenbarung und Offenlegung unseres Hundelebens immer wieder verhindert werden können.
     
    Vor dem fatalen Termin bei Dr. Schwellinger hatte ich also zum ersten Mal richtig gelebt. Und am Donnerstagnachmittag hatte ich einen lange aufgeschobenen, nun nicht mehr aufschiebbaren Termin.
     
    Ich gab vor, auch mir, eigentlich wegen ganz anderer Dinge zu diesem Arzt gegangen zu sein, zum »Nervenarzt«, sagten wir, weil wir nicht »Psychiater« sagen wollten, vielleicht auch deswegen, weil auch dieser Begriff so kurz nach dem Tausendjährigen Reich gar keinen guten Klang hatte.
    Wir sahen schon, hörten wir das Wort »Psychiater«, als wären wir Alkoholiker im Delirium, Desinfektionsanlagen und nie gesehene?? Bilder von den Strafgefangenen, welche den Tatort in Rottenmünster zu räumen und zu reinigen hatten. Das waren die weißen Mäuse der Täter und ihrer Kinder, das waren unsere weißen Mäuse.
    Ich hatte wegen ganz anderer Dinge als jetzt schon lange zu Dr. Schwellinger gehen wollen, hatte mir das vorgenommen wie das Ziehen eines Weisheitszahns, zum Nervenarzt zu gehen, endlich, zum Beispiel wegen der Schwierigkeiten des Lebens, der Angst vor dem Tod, das meiste ausgelöst durch Bantle von der Raiffeisenbank, und nun definitiv.
    Gleich nach der ersten Begegnung, von der die einen sagen, es sei Liebe, die anderen Geschlechtsverkehr, hatte ich eine irrsinnige Angst, mich angesteckt zu haben, von der Liebe oder dem Verkehr, wie sie es je nach Charakter nannten, eine Geschlechtsverkehrskrankheit bekommen zu haben.
    Tatsächlich begann es gleich danach wahnsinnig, da vielleicht nur eingebildet, doch überaus tatsächlich zu jucken, genau in der Mitte, südlich des Bauchnabels.
    Da eine solche Liebe nichts Ungestraftes sein durfte in der Welt, aus der ich kam, brachte ich dieses tatsächliche, wenn auch vielleicht eingebildete Phänomen mit meinem Glauben, dass alles einen Sinn hat, und dazu »nihil sine ratione« ist, in einen, wie ein Anhänger von Aristoteles gesagt hätte, »ursächlichen Zusammenhang«. Ich verwechselte wieder einmal Sinn und Ursache.
    »Das ist zur Strafe für deine Sünde!«, sagte ich mir. »Du musst endlich

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