Einmal auf der Welt. Und dann so
dabei blieb es.«
Und ich fragte sie, als interessierte es mich, was das überhaupt sei, ein Muttermal.
Und dann, was das für Haare seien, die aussahen wie ein Pelz, schon als ich Kind war, hatte ich dieses Mal und diese Haare, und sie und es waren mit mir gewachsen, mittlerweile so sechs bis acht Quadratzentimeter groß war dieses Pelzfeld, und ich hatte mich in den Jahren längst an dieses Muttermal gewöhnt wie an mich selbst und an mein ebenerdiges Leben. Nein, einmal gefunden, wollte ich das Wort »ebenerdig« für mein Leben nicht mehr aufgeben, so wenig wie meine »heimatlosen Erektionen«.
Dr. Schwellinger, dem Psychiater, nicht aber Frau Dr. Methfessel hatte ich gesagt, dass noch bevor wir richtig sprechen konnten, sie schon im Kindergarten auf dieses Mal gezeigt und es mit dem Teufel in Verbindung gebracht hätten, das Muttermal. Mein Muttermal.
»Haben Sie nie daran gedacht, es entfernen zu lassen?«, so Frau Dr. Methfessel.
»>Doch, aber dazu müsste ich erst erwachsen sein<, sagte die Hebamme meinen Eltern, als sie gleich nachdem ich das Licht der Welt erblickt hatte, diese Stelle entdeckte«, ... sagte ich mit einem Herzklopfen bis zur Halsschlagader hin, und außerdem hatte ich davor eine Höllenangst, fast Todesangst, wie vor der Messerimpfung, die ich, was ich damals nicht für möglich gehalten hätte, überstand und vergaß.
Und außerdem, vielleicht war das sogar der Hauptgrund?, wäre meine Mutter in ihrer Seele getroffen gewesen, hätte ich so etwas gemacht. Denn das erinnerte die Welt am sichtbarsten an jene Verbindung von ihr und mir, nachdem einmal die Nabelschnur durchtrennt war.
Das alles sagte ich Frau Methfessel nicht, ich fragte sie nur, mit so einem Tremolo, ob sie mir sagen könne, was das überhaupt sei: so ein Muttermal. Da sagte sie mir doch tatsächlich, unverblümt: Das sei entwicklungsgeschichtlich ein Stück Fell, »ein Rest Afrika«, sagte sie.
Jetzt erst verstand ich Dr. Eiermann und ekelte mich noch mehr vor ihm.
»Zum Glück nicht im Gesicht!« Fast schon ein Schüttelreim, aber es reichte mir schon, dass sie vom Kindergarten an darüber lachten und selbstverständlich dann auch im Sportunterricht, der mir schon von da immer als eine Art Souterrain des Lebens erschien. Solange ich zurückdenken kann, waren immer Gelächter und Tränen, Geschrei und Verstummen sowie die Erinnerung an alles ein Cantus Firmus meines Lebens.
Sie wolle es nun gleich »wegmachen«, sagte sie und rief schon ihre Sprechstundenhilfe, sie solle die Spritze bringen. »Fräulein Imelda!!« - Ich erschrak, wegen des Wortes »Spritze« und auch wegen des Namens Imelda. Bei der Seltenheit, fast schon Einmaligkeit dieses Namens in meiner endemischen Welt konnte es nicht anders sein, als dass es sich um jene Imelda handelte, die ich von den Tanzabenden in Mesopotamien kannte, und sie mich. Nun stand sie schon in ihrer ganzen Blondheit mit der Spritze vor, nein: neben und über mir, Imelda Pfaff aus Altheim über Salem. Was mich erröten ließ. Denn ich hatte sie bisher (ich ging ja zu jener Zeit immer noch »auf den Tanz«, wie wir sagten) kein einziges Mal zu einer sogenannten Tour aufgefordert, und sie mich auch nicht. Und nun saß ich hier und war auch noch ihr, die sehen konnte, was übers Frühjahr aus mir geworden war, ausgeliefert.
Einst spielten die Tramps im Waldhorn von Hinterstenweiler, in der Frohen Einkehr von Gallmannsweil oder im Hasen von Krauchenwies, und so fanden wir uns: Manche Geschichte begann hier, die vielleicht erst Jahrzehnte später, doch meist in einer Scheidung endete, vielleicht aber schleppte sich so ein Anfang auch zu jenem traurigen Ende hin, der allen Geschichten ein Ende macht. Imelda war dieses unverhoffte Zusammentreffen vielleicht noch ein bisschen weniger peinlich als mir, denn ich hätte an einem solchen Abend in Gallmannsweil so zehnmal diese Möglichkeit gehabt, an ihren Tisch zu gehen und sie zu fragen, ob sie mit mir tanzen wolle, um entweder einen sogenannten Korb zu bekommen oder mit ihr zusammen auf die Bühne zu gehen, um dann mit etwas Glück zu Samba pati, oder sonst einem live gespielten Stehblues, die Vorstufe zum Petting zu versuchen, dann, wenn das Licht ausging, eine Möglichkeit, die der Lichtmeister Herr Vochazer, der das Zeug zum Kuppelpelz hatte, an so einem Abend den jungen ausgehungerten, man sagte damals noch nicht geilen Menschen gleich mehrfach gönnte. Imelda hingegen hatte, wie alle anderen Vertreterinnen des schönen Geschlechts,
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