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Einmal auf der Welt. Und dann so

Einmal auf der Welt. Und dann so

Titel: Einmal auf der Welt. Und dann so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Stadler
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es Habermus, weil es so gut war. Oben schwamm das Butterfett. Unten die Kratzede. Das Angebrannte, streifenweise mit dem Löffel weggekratzt, der siebente Himmel.
    Es gab Habermus. Den abgeschöpften Rahm von der Rahmschüssel. Es gab Hirnle von der Frühjahrssau. Der Reihe nach Erdbeeren, Stachelbeeren, Zuckerbirnen, Frühäpfel. Es gab von allem.
    Es gab Kopfweh, Fieber, Scharlach, Tod, ein Kinderspiel.
    Der Flieder blühte in allen Himmelsrichtungen, angefangen hinter dem Holzschopf. Es gab den Flieder in allen fliedermöglichen Farben. Es sind nicht viele.
    Für jeden, der durch die niemals geschlossene Haustür eintrat und dann an der Stube kurz klopfte, gab es zuerst einmal einen Selbstgebrannten Willi.
     
Der Wille
     
    Da, wo ich am größten bin, rasiert der Wille alles weg. Was übrig bleibt, ist ein Igel. Wille macht alle zwei Wochen einen Igel aus mir. Oben ein paar Wirbel. Mein Haar, mein Kopf sei widerspenstig, sagte er.
     
    Das alles in der Zeit, bevor ich ein Gammler bin. Wenige Jahre später zähle ich für ihn zu den Gammlern. Gehe nicht mehr zum Wille. Ich sah, dass mein Haar blond war. Zu schade für Willes Besen.
    Willes Bierflasche steht auf dem Waschtisch.
    Wenn nur Kleine beim Wille sind, steht die Bierflasche auf dem Waschtisch. Sind Alte da, geht der Wille zwischendurch Hühner füttern, und es heißt, er sei ein Säufer. Und am schönsten sind die nackten Weiber im Wochenend, das da herumliegt, ich darf auch schon hineinschauen, wenn keine Frau in der Nähe ist. Und für das Wort »entehrt« bekomme ich im Himmelreich eine Ohrfeige und kann mit der Innenfläche meiner Hände meinen Igel ausfindig machen, den Wille mir gemacht hat, das ausrasierte Genick.
     
Gemähte Felder
     
    Die Felder beginnen am Ortsrand, da wo heute die Umgehungsstraße und das Neubaugebiet ist. Auf dem ersten Feld steht der bald abgerissene Dreschschuppen mit seinen längst aus der Geschichte verschwundenen Maschinen.
    Mit dem kleinen Traktor fahre ich gegen das hölzerne Scheunentor. Ich habe mich in der Fahrstunde verliebt. Ich habe mich im Theoretischen verliebt. Es kommt kein Liebesbrief. Auf dem Weg nach Hause Hasen überfahren. Sonntagsbraten, gutes Fleisch. Der Nachbar ist Jäger. Ich habe vergessen, dass ich verliebt bin. Es war nur ein Hase. Liegt im Kofferraum. Das Scheunentor ist ganz kaputt.
    Es muss ausgebessert werden. Es heißt, ich habe keine Augen im Kopf. Abends gehe ich schwimmen.
    Neben mir mein Schäferhund, eine inzüchtige Mischung. Oben die Lerchen, ganz schön zuverlässig im Sommer. Ich falle nicht vom Fahrrad.
    Der Waldweiher liegt mitten im Wald. Im Waldweiher lerne ich schwimmen. Andrea stößt mich ins Wasser. Es stellt sich heraus, dass ich jetzt schwimmen kann. Ich komme aus dem Wasser. Andrea wirft mich zu Boden. Andrea möchte mich versohlen. Es stellt sich heraus, dass Andrea mich liebt.
    Ich höre mein Herz schlagen.
    Andrea am Ufer.
    Ich kann noch nicht richtig schwimmen. Aber der Mähdrescherstaub ist abgewaschen. Ein letzter Rest in den Augen. Die Augen sind gerötet. Das Ufer ist uneben. Brennnesseln, soweit ich sehe. Dunkles Wasser. Lachen von jungen Stimmen, durcheinander. Frösche in der Dämmerung. Morgen ist auch ein Tag.
    Das Schwimmen hat müde gemacht. Strecke mich auf dem Handtuch aus. Das Gras wird nicht nass in den Hundstagsnächten.
    Die roten Badehosen. Die Brennnesseln. Die Frösche.
    Die Nachtfrau im Unterholz.
    Selige Zeiten.
    Morgen ist auch ein Tag.
     
Die süße Erinnerung an meinen Herzschlag im Ohr
     
    Das Fahrrad liegt im Gras. Ich höre das Gras wachsen neben mir. Die schönsten Bilder schwimmen im Wasser vor mir. Die hochfliegenden Schwalben. Die Zeichen für gutes Wetter. Zusätzlich zum Abendrot. Das Spiel war schön. Ich und meine Erinnerung, die an die Beine meiner Fußballspieler grenzt.
    Die Schnecke im Gras, ihr Löwenzahngebirge. Lisi im Schneckenberg. Am Aschermittwoch ist alles vorbei. Lisi gehen Schnecken über alles, ein Armeleuteessen, vor dem sich der Landmann, der etwas sein will, ekelt. Sie fährt mit der bloßen Hand durchs Gras. Ihre Hände sind besser als ihre Augen. Schon die halbe Tiefkühltruhe ist voll.
    Die Erinnerung ruft mich vom Schrottplatz. Vom Spielen zurück, die Kühe von der Weide holen, ab fünf wird gemolken.
    Die Erinnerung steht bald bis zu den Hüften im Wasser. Es ist Schneckenzeit. Der Auenbach fließt langsam, steht, fließt rückwärts, haut mich um.
     
Die Erinnerung geht schwimmen
     
    Fräulein Hermle

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