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Einmal auf der Welt. Und dann so

Einmal auf der Welt. Und dann so

Titel: Einmal auf der Welt. Und dann so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Stadler
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verwandt, ich war immer des Bäsle, unsere Urgroßväder oder -müdder wäre Geschwistrigskindskind«, und sie erzählte weiter, und ich hörte »Der war gscheiiiiiiiiiiiid! -der hat immer zu mir gsagd, Bäsle du kommsch nach Freiburg un besuchsch mich in Zähringe. Du kommsch ganz auf deine Mudder Helän. Dann hatter immer gmeint, ich hätt falsche Zahn. Aber des hat gar nicht gestimmd. Die hatmr de Fischer Ewald ersch Ende der fünfziger Jahr gemachd. Und des Gold, des ich gebrauch hab, des hab ich bei der Grall Lisi bekomme. Die hat damals des Juweliergschäfd, den Uhrelade nebe der Niedere Miele ghabt. Was stimmde war, dass ich damals nur ein schlechte Zahn hadde.« Lizzy, die die ganze Zeit nur halb hingehört hatte, wollte Tante Klärle immer wieder ablenken und sagte, zum Beispiel, »Zeig uns des Foto mit dem Filbinger.« Oder, an mich gewandt, »Schön gemacht, wie viel hast du ausgegeben?« oder »Man sieht es fast gar nicht« oder »Wenn du's nicht gesagt hättest, hätt ich's fast gar nicht gemerkt.« Oder »Sieht viel besser aus wie vorher« und auch »Tadellos gemacht« und »Kann was« und »Wie im Film« und »Ganz bestimmt«, und ich sagte Lizzy, ich müsste bald gehen, um noch vor fünf bei Bantle auf der Raiffeisenkasse zu sein.
     
    Und der Herr Direktor? Er war ein netter Mensch. Mein erster Mathematiklehrer, hat mir eine Zwei gegeben und ließ Lizzy und die anderen gewähren.
    Er ist jetzt tot und ging seinerzeit mit Filzpantoffeln durchs Haus.
    Den Direktor brauchte ich selten. Er hatte auch keine festen Sprechstunden. Man schaute durchs Schlüsselloch, um zu sehen, ob er im Zimmer war, und klopfte daraufhin. Ich brauchte ihn nur, wenn ich einen freien Tag für die Ernte brauchte. Aber ich hätte jeweils lieber eine Krankheit erfunden, als deswegen um einen freien Tag zu fragen.
    Was verstand dieser Mensch von der Landarbeit? Wusste er, wie man Garben bindet? Wusste er am Ende gar, was Garben sind?
    Wenn man mich brauchte, wurde auch ich von der Schule abgeholt, mit dem Diesel 190, mit dem auch die Ferkel vom Saumarkt abgeholt wurden. Das war nur im Sommer, dass ich gebraucht wurde. Im Winter wurde ich nicht gebraucht, und so hatte ich Zeit, in der Kälte zu stehen und oben beim Hofgartentor auf den Bus zu warten, bis der Bus kam.
    Der Bus kam dann aus Richtung Krumbach, das war gleichzeitig aus Richtung Italien.
    Schon bei der Anmeldung musste ich mich diesem Direktor, der aber, wie gesagt, sehr nett war, stellen. Trotzdem war ich ohne Rückhalt. Er sprach Hochdeutsch, und ich stand nun vor ihm, ganz allein, und konnte diese meine erste Fremdsprache noch gar nicht.
    War, zehnjährig, der Mutter eines weiteren Kandidaten mitgegeben worden.
    Ein Jahr später saß ich schon neben Rolando in der hintersten Reihe. Der Direktor hatte mich zu sich bestellt. In der Schule hieß es, ich wolle in das Jesuiteninternat Stella Matutina nach Feldkirch wechseln. Ein Gerücht, gewiss von Rolando. Er war dann neun Jahre lang mein Nachbar.
    Eine solche Schule war das, dass damals außer ihm und mir, und drei weiteren »Schulkameraden« genannten Mitschülern, alle sitzenblieben oder in andere Städte flohen. Aber nicht wegen des Direktors, und nicht wegen aller Lehrer, sondern unsertwegen, die wir so waren, wie wir waren, und wegen der Verhältnisse.
    Rolando hatte eine Großmutter in Neapel. In den ersten Sommerferien kam die erste Karte mit dem Golf von Neapel drauf, und ganz am Horizont sah ich Capri mit der blauen Grotte liegen. (Da hatte ich zum ersten Mal das Meer gesehen.)
    Die Geschichte mit den Jesuiten stammte gewiss von Rolando, er hatte ja auch erzählt, ich sei nur deswegen in Meßkirch, weil ich Theologie studieren wolle, um Erzabt von Einsiedeln oder Zwiefalten zu werden (zwei Versionen). Wäre ich nach Feldkirch zu den Jesuiten gegangen, wäre das ein Verlust für Meßkirch gewesen, zahlenmäßig. Meßkirch war in Gefahr, weil die Schüler, die schon den Schlossberg hinaufgingen, nicht bleiben wollten und andere gar nicht kamen, das war, zu meiner Zeit, der Ruf von Meßkirch und seinem Schlossberg.
    Ich verstehe noch weniger, warum wir so behandelt wurden. Der Direktor bestellte mich auf sein Zimmer. Ich schaute durchs Schlüsselloch, um zu sehen, ob er im Zimmer war. Er war nicht im Zimmer, kam gerade die Treppe herauf, ertappte mich und wollte mir zunächst einmal eine Ohrfeige geben, aber dann sagte er nur, zu Recht, dass sich das nicht gehöre. Dann fragte er mich, ob es wahr sei, dass ich

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