Einmal auf der Welt. Und dann so
Schmerz:
die Namen der Kindergartenfreundinnen und dass sie vergessen sind. Meine Zusagen und dass sie nicht eingelöst wurden: heiraten, wenn ich groß bin. Ich glaube, die eine hieß Brigitte.
Der unheimlich kleine Kindergarten, gesetzt den Fall, ich müsste heute einen ganzen Nachmittag mit Schwester Maria Radigundis Ball spielen, auf zehn zählen und einen schönen Himmel malen.
Es ist kalt und es regnet. Es ist so kalt, dass aus dem Regen Schnee wird. Außer dem Wind hört man nichts. Es folgt die Stille der Schneeflocken.
Kleiner Schmerz: dass es diese Gegend war, wo es so kalt war. Der Heuberg ist weiß vor Schnee.
Es muss selbst wissen, wie es einen Witz erzählt, hieß es vom Kind. Mit dem Teppichklopfer wird mir das Paradies ausgetrieben, nach und nach, mit dem Kochlöffel, bis er bricht.
Lisi zeigt sich am Fenster
Ich sehe nicht, was Lisi sieht. Ich sehe das Foto.
Von ihrer schönen Haut bleibt nur ein so und so gefärbtes Stück Papier. Aus demselben Stück Papier ist auch noch ihr schönes Kleid gemacht. Ihr blondes Haar, ein Stück Zellophan. Ich weiß nicht, woraus Bilder sind.
Ich nehme an, sie sieht jemanden vorbeifahren. Die Neugier treibt sie bei jedem vorbeifahrenden Auto ans Fenster, heißt es von ihr.
Ich sitze in der Stube. Eine Maus schlittert über den Parkettboden. In der Küche zanken sich meine Schwestern beim Abwaschen. Lore kommt mit dem Fahrrad. Es gibt nichts Neues. Es gibt ein Obstwasser auch für die Stromableserin, die unangemeldet hereinkommt, gleich nach dem Mittagessen. Das Geschirr ist schon gewaschen. Das Gezänk in der Küche hört auf.
Mutter kommt mit dem Besen in die Stube und vertreibt mich. Die vordere Stube ist noch nicht geputzt. Der Streit geht weiter. Ich gehe vors Haus. Setze mich vor die Hauswand. Die Sonne scheint.
Bald ist es Sonntag. Fritz fotografiert Lisi nur am Sonntag. Nur am Sonntag wird fotografiert, darum. Nur am Sonntag hat Lisi ihr schönes Kleid an, Sonntagskleid, darum. Lisi streicht mit der rechten Hand über ihr Sonntagskleid und sitzt auf der Bank vor dem Haus und wartet darauf, dass jemand kommt.
Sonntagnachmittag. Es gibt niemanden, der mit mir spielt, und in meinem Kopf vielleicht schon der Gedanke, dass ich sterblich bin, über den ich nie hinauskam.
Die Soldaten machen Sauerei, überall wo sie hinkommen
Lore sieht die Panzer als Erste aus Richtung Sentenhart kommen. Sie fährt mit dem Fahrrad ins Oberdorf. Sie hat kein Telefon, sonst wäre sie noch schneller. Der erste Panzer hält an und fragt Gret nach dem Weg zum Hennenbühl. Sie kennt die Panzer aus der Wochenschau. Lore weint in die Schürze beim Zwiebelschneiden. Sie möchte nicht mehr leben. Der Panzer ist nur ein Jeep. Lore sagt dem Panzer, er sei schon zu weit gefahren. Der Hennenbühl liege in die andere Richtung. Sie könne mit dem Fahrrad vorausfahren.
Der Franzosenwald heißt Franzosenwald, weil die Franzosen den Franzosenwald abgeholzt haben und den Franzosenwald vom Sentenharter Bahnhof aus nach Frankreich transportiert haben.
Die Franzosen kommen mit roten Hosen von Sauldorf her. Der Storch bringt die Butzele. Die Franzosen sehen, dass das Himmelreich voll ist von weißen Lappen. Das Himmelreich will nichts anderes mehr als Frieden. Die Franzosen beschlagnahmen das Himmelreich und seine Bewohner. Schwarzmexen bei Todesstrafe verboten. Die Franzosen schnüffeln selbst im Schlafzimmer nach halben Sauen. Vor dem Schulhaus hängt die Trikolore. Gerda und die anderen verstehen kein Französisch. Sie grüßt die Trikolore im Vorbeigehen. Nickt mit dem Kopf, sie hat ein Doppelkinn. Fährt sie mit dem Fahrrad, steigt sie vom Fahrrad ab. Ihr Fahrrad wurde nicht beschlagnahmt. Sie zeigt dem Franzosen den Weg, mit der Hand, mit beiden Händen, und sagt etwas Unverständliches.
Die Tulpen blühen noch immer. Es ist Mitte Mai. Vorher wusste sie nicht so viel von den Franzosen. Die Franzosen haben doch keine Neger mitgebracht ins Himmelreich. Gerda kennt Neger nur vom Hörensagen und als Krippenfigur. Die Hunnen waren auch schon da. Die Hunnen kamen mit ihren kleinen Pferden auch ins Himmelreich. Sie verloren ihre Hufe am Himmelreich vorbei. Einige davon hängen neben den Stalltürchen und bringen Glück, nach unten hin offen. Ich weiß alles nur vom Hörensagen.
Die Franzosen kamen ohne Neger an. Friedrich der Staufer kam mit seinen Elefanten und Papageien bis ins Nachbardorf Rast, ist nämlich ein Rastplatz für den Kaiser gewesen. Das muss man wissen.
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