Einmal durch die Hölle und zurück
Sie’s.«
»Bitte. Wenn ich in drei Minuten nicht wieder da bin, verständigen Sie die Polizei.«
Hinterm Restaurant sind ungefähr ein Dutzend Jungen damit beschäftigt, einen anderen Jugendlichen krankenhausreif zu prügeln, doch das ist schwer zu erkennen, weil sie ihn ziemlich dicht umringen und sein Gesicht voller Blut ist. Sie gehen ohne große Kunstfertigkeit, aber voller Begeisterung vor.
Ich schenke den Angreifern keine Beachtung, lasse mich von dem Blut zu dem Jungen ziehen, knie mich vor ihm und schütze ihn. Er ist ohnmächtig, aber er atmet noch. Über einem Auge Fleischwunden, durch die man den Knochen sehen kann. Mehrere nicht so schlimme Wunden im Gesicht und am Kopf. Seine Haut ist seltsam kühl.
Seine Lider beginnen zu flattern. »Nicht bewegen«, sage ich.
Er wälzt sich auf den Rücken. Fasst sich ins Gesicht und sieht das Blut an seiner Hand. »Oh Scheiße!«
So viel zu einer Untersuchung der Halswirbelsäule. Während er abgelenkt ist, hebe ich einen blutigen Eckzahn vom Asphalt auf und stecke ihn in meine Jackentasche. »Halt still. Tut das hier weh?«
»Jaa!«
»Warte, bis ich angefangen hab.«
»Hey!«, ruft jemand. »Mister!«
Ich blicke auf. Obwohl ich den anderen Jungen keine Beachtung geschenkt habe, scheinen sie sich nicht in Luft aufgelöst zu haben.
Es herrscht eine ziemlich große Altersspanne: von dreizehn und kindlich bis etwa siebzehn und zottelig. Alle von unterschiedlicher Art, obwohl sie die gleichen Klamotten tragen: einen riesigen Mantel und ausgebeulte Jeans, beides voller Markennamen, wie man sie in
Blade Runner
überall in der Innenstadt von Los Angeles sieht. Wenigstens sehen diese Jungen gesünder aus als die meisten Trottel der Born-to-be-wired-Generation, die sich auf Kreuzfahrtschiffen vor ihren Großeltern verdrücken. Als würden sie viel Zeit im Freien verbringen, und sei es nur, um jemanden in den Arsch zu treten.
Andererseits haben viele von ihnen gerade Waffen auf mich gerichtet.
Hauptsächlich Schrotflinten und Jagdgewehre, aber – besonders bei den älter wirkenden Jungen – auch ein paar teuer aussehende Handfeuerwaffen. Der anscheinend Älteste in der Mitte hat eine Colt Commander, die glitzert wie eine Diskokugel.
»Ja, Sie«, sagt er. »Mister
Dumpfbacke
.«
Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll.
Eine größere Gruppe ohne Gewalt im Griff zu haben, ist in der Kampfkunst die schwierigste Aufgabe. Man kann nicht bloß nächtelang auf den Sandsack im Fitnessraum der Offiziere eindreschen und hoffen, dass man nichts verlernt. Man muss Hebelgriffe und Fußwürfe und so weiter trainieren – was ich nicht wirklich von mir behaupten kann. Zumindest nicht in dem Maße, dass ich mir zutraue, zehn dicht gedrängt stehende Leute zu entwaffnen, ohne dass jemand verletzt wird.
Und es
ist
mir ziemlich wichtig, dass hier niemand verletzt wird. Sagt uns nicht Sensei Dragonfire: »Beherrsche lieber als zu verletzen, verletze lieber als zu verstümmeln, verstümmle lieber als zu töten und töte lieber als getötet zu werden«? Sollte nicht gerade ich mir diese Ermahnung zu Herzen nehmen? Und habe ich mich nicht in diese Auseinandersetzung eingemischt, um einen Jungen davor zu bewahren, dass er verletzt wird?
Ich beschließe, mich rauszumogeln. »Für dich immer noch
Doktor
Dumpfbacke«, sage ich und stehe mit dem Verletzten im Arm auf.
Der Junge mit der Commander versperrt mir den Weg. »Ich dachte, als Arzt müsste man Grips haben.«
»Das ist ein weitverbreiteter Irrtum.« Ich gehe um ihn herum.
»Das hier geht Sie nichts an«, mault er.
»Jetzt schon.«
Ich bin fast an ihm vorbei – und damit wohl auch an den übrigen Jungen –, als er wieder vor mich tritt und mir diesmal die Pistole links an den Hals drückt.
Das ist eine dumme Idee. Auch mit dem anderen Jungen im Arm könnte ich mit links die Schusshand dieses Schwachkopfs ergreifen und auf die Strecksehnen drücken, während ich ihm mit der anderen Hand – meiner Rechten – aufs Kinn haue. Dann könnte ich ihm meinen rechten Arm, Ellbogen voran, auf den rechten Bizeps und den Muskel-Haut-Nerv stoßen [24] und den Arm ungefähr eine Stunde länger als nötig gefühllos machen, könnte dann den Ellbogen seitwärts drehen und ihn ihm, wenn ich ihn k.o. schlagen wollte, ans Kinn oder, wenn ich ihn umbringen wollte, an die Schläfe rammen.
Wenn ich bereit wäre, den Jungen in meinen Armen fallen zu lassen, könnte ich etwas viel Schlimmeres anrichten – und nicht mal Sensei
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