Einmal durch die Hölle und zurück
auch. Okay. Ich ruf später noch mal an«, streckt er zum Gruß die Hand in die Luft. Er hat einen leichten Südstaatenakzent: Arkansas oder Alabama oder irgendein Staat, den ich nicht erkenne.
Trotz seiner muskulösen Beine und seines dunklen Bürstenschnitts hat er was Jungenhaftes, doch er trägt eine Cordshorts, die so kurz ist, dass niemand unter sechzig sie jemals anziehen würde. An seinem linken Bein ist außen eine lange, wulstige Narbe zu sehen. Er schaltet das Handy aus und zeigt ein schiefes Lächeln. »Tut mir leid. Meine Mutter.«
Der Hund, der uns jetzt erst zu bemerken scheint, springt an uns hoch. Wirft sich seitlich gegen Violets Bein, dann gegen meins, wo er innehält und sich mit dem schweren Schwanz wedelnd an mich klammert.
»Bell«, ruft der Mann, aber der Hund bellt nicht. »Dr. Hurst und Dr. Azimuth?«
»Stimmt«, sagt Violet.
»Ich bin Reggie Trager.«
»Nett, Sie kennenzulernen«, sagt Violet. »Dürfen wir Ihren Hund streicheln?«
Interessanter Auftakt. Nicht dass ich den Hund nicht mag.
»Der gehört mir nicht, aber lassen Sie sich nicht abhalten«, sagt Reggie. »Nehmen Sie ihn mit nach Hause. Er heißt Bell Clinton.«
»Ach so,
Bell
«, sagt Violet, und der Hund lässt von meinem Bein ab und klammert sich wieder an ihres.
Egal. Reggie kommt herüber, um uns die Hand zu schütteln.
Aus der Nähe betrachtet, sieht er ganz anders aus. Seine linke Gesichtshälfte ist ein Fischnetz aus Narben. Keine Verbrennungen wie an seinem Bein, sondern Schnittwunden, wie von Glasscherben oder Schrapnellsplittern. Sein Lächeln ist schief, weil die linke Gesichtshälfte gelähmt ist. Sein linkes Auge ist weit geöffnet und fast ganz rund.
Aber das Unheimliche ist, dass es nicht völlig abstoßend wirkt. Durch die Lähmung hat sein Gesicht etwas von einer Karikatur, das zu seiner schelmischen Jungenhaftigkeit passt. Irgendwie funktioniert das Ganze.
»Haben Sie Del und Miguel schon kennengelernt?«, fragt er.
Als er die Namen ausspricht, steht der Hund plötzlich ganz verloren da. Dreht sich ein paarmal im Kreis und läuft dann in Richtung Parkplatz.
Reggie schüttelt den Kopf. »Ihm ist gerade erst aufgefallen, dass Del nicht mehr da ist. Bell! Lauf nicht auf den Highway!«
»Die beiden Männer, die in den Pick-up gestiegen sind?«, frage ich.
»Ja.«
»Wir haben sie eigentlich nicht kennengelernt. Wer sind die beiden?«
»Wir arbeiten alle zusammen. Sie sind so was wie meine Assistenten.« Er zwinkert mir mit seinem gesunden Auge zu. »Kommen Sie. Ich mache Sie mit einigen von den anderen Gästen bekannt.«
12 CFS Lodge, Ford, Minnesota
Immer noch Freitag, 14 . September
In der Empfangshütte sind bloß vier Asiaten, und die beiden, die stehen – Trainingsanzug, Sonnenbrille, bei meinem Anblick in Alarmbereitschaft versetzt – sind offenbar Bodyguards.
Die anderen beiden, auf sich gegenüberstehenden Sofas, sind schwerer einzuschätzen. Einer ist punkig-schick, klobig-coole Brille und eleganter Anzug über einem teuer wirkenden Westernshirt. Anfang vierzig, das Haar braun gefärbt, in einen Reiseführer vertieft. Der andere ist etwa genauso alt, aber dick und ausladend, mit den feuchten Lippen, den groben Zügen und der schlechten Rasur eines geistig Behinderten, oder wie man diese Leute heutzutage nennt. Jeans und ein T-Shirt mit der Aufschrift » JETZT IST COLA EINZIG «. Er spielt auf einem Handy ein Videospiel.
Der Elegante steht auf, als er uns sieht, und die Bodyguards rahmen ihn ein.
Reggie macht uns miteinander bekannt. Er heißt Wayne Teng. Sein Bruder trägt den Namen Stuart. Und die Bodyguards heißen angeblich beide Lee.
»Tut mir leid«, sagt Teng. »Mein Bruder und unsere Mitarbeiter können kein Englisch.«
»Aber Sie«, erwidert Violet.
»Nur ein paar Brocken.«
»Klingt aber gar nicht so.«
»Danke. Sind Sie Ärzte?«
»Er schon. Ich bin Paläontologin.«
»Wie in
Jurassic Park
?«
»Mehr oder weniger.«
Teng übersetzt für seinen Bruder und die Bodyguards. Ich erkenne die Worte
Jurassic Park
. Sogar der Bruder blickt auf.
Ich folge Reggie zum Empfang. »Sind das alle? Ist das die ganze Gruppe?« Vorausgesetzt, dass Teng seine Bodyguards mitnimmt, wären wir zu sechst.
Reggie holt ein paar Formulare hervor. »Weiß nicht genau. Wir haben fünf weitere Zusagen.«
»Sind das nicht zu viele?«
»Die einzige Beschränkung ist das, was für Sie akzeptabel ist. Aber darüber mache ich mir Gedanken, wenn’s so weit ist. Ich bin mir sicher, dass
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