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Einmal durch die Hölle und zurück

Einmal durch die Hölle und zurück

Titel: Einmal durch die Hölle und zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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zu laufen und gleichzeitig an meinen Fingern zu schnuppern. Von Violets Geruch sträuben sich mir die Nackenhaare.
    Als vor mir eine Taschenlampe angeht und ich den Wald erreiche, begreife ich plötzlich, warum Sheriff Albin so besessen von gerodeten Pfaden ist. Obwohl die Bäume nur dünne Stämme haben, als wäre das ganze Gebiet irgendwann abgeholzt worden, bilden die Zweige in der Luft ein Netz. [44] Wenn man unter den kleinen, stechenden Zweigen auf Augenhöhe hindurchtaucht, läuft man Gefahr, an den dicken Ästen auf Brusthöhe hängenzubleiben. Es ist, als würde man mit großer Geschwindigkeit durch einen Filter aus Holz sickern. Und anders als beim Rasen, der so feucht und elastisch wie ein Kuchen war, fühlt sich der Boden hier nach Felsen und Reißzwecken an.
    Es ist unangenehm, hier in Boxershorts entlangzurennen, doch der Typ, hinter dem ich her bin, hat es auch nicht leichter. Obwohl ich die Daumen an die Schläfen gepresst habe, um mit den Unterarmen mein Gesicht zu schützen, und nie das ganze Gewicht auf einen Fuß lege, hole ich auf.
    Als ich seinen Kragen erkennen kann, stürze ich mich auf ihn. Zerre ihn daran zu Boden, bis er hart auf dem Rücken landet.
    Dann leuchte ich ihn mit seiner Taschenlampe an.
    Ein übergewichtiger, etwa vierzigjähriger Mann mit Anorak, der völlig außer Atem ist und sich vom Licht wegdreht. Er hat eine Kamera mit riesigem weißem Teleobjektiv fest an die Brust gedrückt.
    »Wer sind Sie?«, frage ich.
    Er holt mehrmals Luft. »Niemand.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich hab mich verlaufen. Gehen Sie runter von mir.«
    Bell kommt aus dem Wald gestürmt wie ein körperloses Augenpaar mit Fangzähnen, dunkel auf dunkel. Er springt dem Mann mit allen vieren in den Unterleib und hüpft ausgelassen wieder herunter.
    »Wer sind Sie?«, frage ich noch mal, als sich der Mann etwas erholt hat. »Antworten Sie endlich.«
    »Was ist los?«, fragt Miguel, der hinter mir auftaucht. Er trägt Bademantel und Hausschuhe, steht in militärischer Haltung da und hält mit beiden Händen eine 9  mm-Waffe. Zwischen den Bäumen durch sehe ich, wie in den Hütten das Licht angeht.
    »Stecken Sie das Ding weg«, sage ich. »Der Typ hat bei uns durchs Fenster fotografiert.«
    »Haben Sie vorher geschrien?«, fragt Miguel.
    »Ja.« Bell leckt mir die Wange.
    »Warum?«
    »Ein Albtraum.«
    »Worum ging’s?«
    »Weiß ich nicht mehr.«
    Del trifft ein, in seinem eigenen Bademantel-mit-Pistole-Ensemble. »Wer ist das?«
    »Das hat er noch nicht gesagt«, erwidere ich.
    »Macht er aber gleich«, sagt Miguel und drückt ihm die 9  mm an die Schläfe. »Wer bist du, du Scheißkerl?«
    »Au, verdammt!«, ruft der Mann.
    »Ich hab gesagt, Sie sollen das Ding wegstecken«, beharre ich.
    »Sobald er uns verraten hat, wer er ist.«
    Ich nehme Miguel die Pistole weg, hole das Magazin heraus, entferne die Patrone und werfe die Waffe in den Wald. »Scheiße!«, sagt er und geht sie suchen.
    »Sie sind beide total verrückt«, sagt der Typ auf dem Boden.
    »Was ist los?«, fragt Violet, als sie bei uns ankommt. Sie ist bekleidet, und mir wird plötzlich klar, wie verschwitzt ich bin und wie kalt es ist. Reggie steht in einem Fleecehemd und seinen Mikroshorts hinter ihr. Alle leuchten sich gegenseitig mit den Taschenlampen in die Gesichter, und Bell springt ungestüm herum.
    »Yo!«, ruft einer von Tyson Grodys Männern vom Rasen herauf. »Was ist da oben los?«
    »Alles unter Kontrolle! Keine Waffen!«, rufe ich. Zu Reggie und Violet gewandt, sage ich: »Dieser Typ hat rumgeschnüffelt. Fotos gemacht.«
    »Wovon?«, will Violet wissen.
    »Keine Ahnung.«
    »Und wer ist er?«
    »Hat vorhin jemand geschrien?«, fragt Reggie.
    Miguel, der das Unterholz absucht, knurrt: »Das war Dr. Azimuth. Er hatte einen Albtraum. Und dann hat er meine Pistole weggeworfen.«
    Einer von Wayne Tengs Bodyguards steht neben Violet, doch ich kann mich nicht erinnern, ihn kommen gesehen zu haben. Wenigstens hat er keine Waffe dabei. »Also. Raus damit«, fordere ich den Typ auf dem Boden auf.
    »Sie können mich mal. Wenn Sie wollen, können Sie ja die Polizei rufen. Ich hab nichts Gesetzwidriges getan.«
    »Unbefugtes Betreten des Grundstücks dürfte durchaus gesetzwidrig sein«, sagt Reggie.
    »Ist das hier Privatbesitz?«, fragt der Mann. »Ich muss mir eine bessere Karte über die Grundstücksverhältnisse in der Gegend besorgen. Und wenn mich noch mal jemand anfasst, dann bringe ich Sie alle vor Gericht.«
    »Nein, das

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