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Einmal durch die Hölle und zurück

Einmal durch die Hölle und zurück

Titel: Einmal durch die Hölle und zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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Schneke zusammen?«
    »O ja. Immer mal wieder, etwa sechs Jahre lang. Manchmal mehr schlecht als recht, aber trotzdem. Damals war sie wirklich noch ein anderer Mensch.«
    Wie bei allem in dieser seltsamen Geschichte weiß ich nicht, was ich davon halten soll. »Warum haben Sie den Leuten, die herkommen sollten, nichts von Benjy und Autumn erzählt?«, frage ich. »Als Anreiz, meine ich. Warum wurde ihr Tod nicht in dem Dokumentarfilm erwähnt?«
    »Herrgott, ich würde Autumns Tod nie für so einen Unsinn ausschlachten. Ich bin auf das Mädchen total abgefahren. Ich hätte mein Leben für sie gegeben. Mit dem Dokumentarfilm hatte ich jedenfalls nichts zu tun.«
    »Außer dass Sie ihn verschickt haben.«
    »Ja, das schon. Aber gedreht hat ihn Chris junior ganz allein.«
    »Sie waren an dem ursprünglichen Schwindel nicht beteiligt?«
    »Nein. Ich wusste zwar davon, hatte aber den Eindruck, dass Chris junior das Ganze allein durchziehen wollte. Vielleicht wollte er auch bloß nicht, dass
ich
daran beteiligt bin. Er war siebenunddreißig oder so. Ich bin zweiundsechzig. Ich kannte seinen Dad schon vor seiner Geburt – ich habe hier gewohnt, seit er ungefähr fünfzehn war. Ich dachte, er wollte die Chance haben, mal was ganz allein auszuprobieren.«
    »Und das hat so gut geklappt, dass Sie’s jetzt versuchen.«
    Reggie schüttelt den Kopf. »Ich probier das Ganze auch aus, weil die Sache den Bach runtergegangen ist. Wie gesagt: Es geht hauptsächlich um das Geld. Aber nicht nur. Irgendwas oder irgendwer hat Autumn umgebracht, und dann hat jemand Chris junior erschossen. Wenn ich auf dieser Tour rausfinde, wer oder was das war, dann hat sich das Ganze auch ohne Geld gelohnt.« Seine Augen sind tränenfeucht. Beide. »Hey, wollen Sie eine Dr. Pepper?«
    »Nein danke.«
    »Aber ich trinke eine.«
    »Nur zu.«
    Als er wiederkommt, frage ich: »Reggie, gibt’s überhaupt einen Grund zu der Annahme, dass es im White Lake ein Ungeheuer gibt?«
    Er wirkt überrascht. »Ja, natürlich. Sonst würde ich das hier nicht tun.«
    »Zum Beispiel?«
    »Also, erstens, weil Chris junior daran geglaubt hat. Das weiß ich, weil er sich kurz vor seinem Tod diese ganze Ausrüstung besorgt hat, um das Ungeheuer zu fangen – riesige Netze und Haken und was nicht alles. Das meiste davon ist erst nach seinem Tod ans Licht gekommen, aber es war ihm ernst. Er hat sich für irgendwas gerüstet.«
    »Okay. Gibt’s noch einen anderen Grund?«
    »Na ja«, sagt Reggie, »ich will nicht unbedingt behaupten, dass es diese Scheißviecher im White Lake gibt, aber ich hab so eins schon mal gesehen.«

Anlage F, Erster Teil Sang Do-Fluss, Südvietnam
    Montag, 24 . Juli 1967 [45]
    Reggie rutscht auf den Patronenhülsen eines zwei Tage zurückliegenden Feuergefechts aus, während er zur hinteren Reling des
commandement
rennt und mit einer Hand an seinen Hosenknöpfen zerrt. Er reißt sich die Hose runter, hängt den Arsch über die Reling und entleert sich explosionsartig in den bereits braunen Fluss. Auf dem Boot hinter ihm klatschen die verrückten Ruff-Puffs Beifall. [46]
    Sein Darm zum ersten Mal seit Stunden entkrampft, holt Reggie tief Luft und atmet den dichten, nach Blei schmeckenden Dieselqualm ein. Plötzlich hat er das Gefühl, als würde er einen Rückwärtssalto über die Bordwand machen. Unwillkürlich springt er nach vorn und stößt mit dem Gesicht an die Rückwand des Ruderhauses. Er lässt sich ein Stück die Wand hinabgleiten – obwohl er friert, sind seine Wange und die Handflächen schweißnass –, ist aber bemüht, nicht ohnmächtig zu werden.
    Auch so fühlt sich Reggie schon überflüssig genug. Allein auf diesem Schrottkahn gibt es drei andere Leute, die seinen Job übernehmen können: der Lieutenant, der
Dai Uy
und der Steuermann. Jeder versucht, auch die Jobs der anderen zu erlernen, für den Fall, dass kein anderer mehr am Leben ist, aber auf Funk und Radar wird besonderes Augenmerk gelegt, weil niemand hier draußen seinem Schicksal überlassen sein will. Zumindest der Lieutenant und der
Dai Uy
kennen sich mit Funk und Radar besser aus als Reggie.
    Aber das will nicht viel heißen. Reggie ist seit einem Monat im Landesinneren. Vor sieben Wochen hat er die Highschool abgeschlossen und sich aus Gründen, die er kaum noch nachvollziehen kann, freiwillig gemeldet [47] , doch er hofft, dass er nicht bloß in einem Kriegsfilm mitspielen wollte. Er weiß noch, dass er dachte, wenn er zur Navy statt zur Army ging und dort die

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