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Einmal durch die Hölle und zurück

Einmal durch die Hölle und zurück

Titel: Einmal durch die Hölle und zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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mit
Ihrem
Boot in den Dschungel.«
    Das ist eine vernünftige Entscheidung, für die Reggie äußerst dankbar ist. Der Schrottkahn des CPO hat statt eines Radarraums eine zusätzliche Deckwaffe, und Radar funktioniert im Bambus nicht richtig. Es funktioniert nicht mal auf dem offenen Wasser richtig.
    Teils aus dem Schuldgefühl heraus, nicht mitgehen zu müssen, und teils um zu zeigen, wie gesund er doch eigentlich ist, klettert Reggie durch die Luke nach oben, um die anderen zu verabschieden.
    Er beobachtet, wie der Lieutenant und der
Dai Uy
wie Affen vom Deck des
commandement
aufs Deck des anderen Bootes springen. Sieht, wie der Lieutenant sich umdreht, ihn ansieht und sagt: »Matrose – kommen Sie?«
    Der CPO sagt: »Lieutenant, ich glaube, der Junge ist nicht in der Verfassung dazu.« Er hat Reggie von der Luke aus beobachtet.
    Reggie liebt den CPO bereits – abgesehen vom Lieutenant, wenn der ihm Befehle gibt, ist der CPO der einzige Mensch in der Flottille, der je mit ihm spricht –, aber jetzt ist er verzückt vor Dankbarkeit. Auf dem Dach des Ruderhauses kauernd, hat er schon wieder eine Gänsehaut, und vom Schwanken des Bootes ist ihm kotzübel.
    »Wenn der Schwanz nass werden soll, muss man sich auch die Füße nass machen«, sagt der Lieutenant. »Was meinen Sie, Matrose?«
    Angesichts der Wortwahl des Lieutenant muss Reggie sich fast übergeben. »Sir, ich darf meine Ausrüstung nicht zurücklassen«, sagt er.
    Das stimmt. Und er kann sie auch nicht mitnehmen. Die beiden VHF -Funkgeräte und das AN / PPS - 5 B-Radargerät sind als tragbar eingestuft, aber bloß von irgendeinem Arsch, der Funkausrüstungen verkauft. Reggie könnte das ganze Zeug nicht mal schleppen, wenn er sich wohl fühlen würde.
    »Dann sichern Sie alles, damit wir aufbrechen können«, sagt der Lieutenant. »Sie kennen ja mein Motto: ›Wenn man den Fluss und die Einheimischen kennt, weiß man auch, was zum Henker man tut‹.«
    Das sagt der Lieutenant tatsächlich ziemlich oft. Reggie, dem immer noch übel ist, fühlt sich wegen der ganzen Aufmerksamkeit aber auch seltsam schwerelos und beschwingt. Er sagt: »Ja, Sir!« und lässt sich wieder ins Ruderhaus gleiten.
    Das Schwindelgefühl holt ihn fast von den Beinen. Er nimmt seine Feldjacke vom Haken, deutet auf den Steuermann und dann auf die Luke und tut so, als würde er einen Schlüssel im Schloss drehen. Der Steuermann müsste eigentlich stinksauer sein, wenn ihn ein so junges amerikanisches Bürschchen auffordert, sein eigenes Ruderhaus zu verlassen, denn man weiß ja nicht, ob er es ausplündert, doch der Steuermann zuckt bloß mit den Schultern und klettert hinaus.
    Reggie blickt sich um. Alle Fenster des Ruderhauses stehen etwa fünfzehn Zentimeter weit offen, aber das scheint schon mindestens seit den letzten zehn Anstrichen so zu sein. Wer Reggies Ausrüstung da hindurchzwängen kann, soll das gern tun.
     
    Der hellgrüne Bambus bildet ringsum einen Vorhang, der höher ist als das Ruderhaus und sich am Bug unaufhörlich teilt, um dann am Boot entlangzuklackern, während sie in den Sumpf vordringen und vor ihnen bloß noch mehr grüner Bambus zum Vorschein kommt. Sogar die Wasseroberfläche ist von irgendwelchen Algen ganz grün.
    Während Reggie an Deck steht, fliegen ihm Insekten ins Gesicht, als wären es winzige Meteoriten. Sie landen in seinen Augen, seinen Ohren und seinem Mund und machen so viel Lärm wie tausend ferne Motorsägen. Vielleicht macht es ihnen bloß Angst, plötzlich ungeschützt auf dem freien Deck zu sein. Reggie weiß, dass ihm noch schwindliger wird, wenn er nur durch die Nase atmet – tiefer aus als ein, damit er die Viecher nicht mit der Luft einsaugt –, aber er kann nicht damit aufhören. Im Ruderhaus war kein Platz mehr für ihn.
    Er hat keine Ahnung, in welche Richtung sie fahren oder wie tief das Wasser ist. Das letzte Mal, als er durchs Fenster des Ruderhauses geschaut hat, schien niemand eine Karte zu haben, doch der Lieutenant und der
Dai Uy
lachten. Reggie weiß nicht mal, wie spät es ist. Aus irgendeinem Grund hat er seine Uhr vergessen.
    Er kann nicht einschätzen, wie viel Zeit verstreicht, doch plötzlich funkelt Licht durch die sich vor ihnen erhebende Bambuswand, und dann sind sie im Sonnenschein. Sie befinden sich auf einer Lichtung. Reggie hat das Gefühl, als wären sie der Hölle entflohen.
    Am Ende der Lichtung steht ein prähistorisch aussehendes Steingebäude, das ins Wasser gebaut wurde und vorn eine Holzplattform

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