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Einmal durch die Hölle und zurück

Einmal durch die Hölle und zurück

Titel: Einmal durch die Hölle und zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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Lippen sehen nass und weich aus.
    Ich kann nicht mehr.
    »Violet«, sage ich, »ich muss dir was erzählen.«
    Sie reißt die Augen auf und schüttelt kaum merklich den Kopf. Sie will es nicht hören.
    Ihr Pech. Mein Pech. In den vergangenen acht Stunden ist es nicht zuletzt auch sinnlos geworden, Violet Hurst anzulügen.
    »Ich heiße nicht Lionel Azimuth«, sage ich ihr. »Ich heiße Pietro Brnwa. Aufgewachsen bin ich in New Jersey. In Kalifornien habe ich Medizin studiert. Dazwischen habe ich im Auftrag der sizilianischen und der russischen Mafia Leute umgebracht.«
    Sie sieht mich nur an. Sucht nach Anzeichen dafür, dass ich scherze.
    »Bitte?«, sagt sie.
    »Ich habe Leute umgebracht.«
    »Das glaub ich nicht.«
    »Trotzdem. Es stimmt. Es ist das einzig Wahre, das du bis jetzt von mir gehört hast.«
    »Im Ernst?«
    »Ja.«
    »Du warst
was?
«
    »Ein Mörder. Bezahlter Mörder. Für die Mafia.«
    »Wirklich?« Sie scheint einfach verwirrt. »Weiß das Rec Bill?«
    Die Frage habe ich verdient. »Keine Ahnung. Ich glaube nicht.«
    Dann trifft es sie wie ein Schlag.
    »Ach, du
großer
Gott.«
    Sie stürzt aus dem Wagen.
    Ich steige auf meiner Seite aus. Es schüttet. »Violet – komm zurück. Ich lass dich irgendwo raus.«
    »Bleib mir bloß weg!«
    »Dann nimm wenigstens den Wagen. Zu Fuß ist es zu weit.«
    »Verschwinde!«
    Ich gehe rückwärts vom Wagen weg. »Der Schlüssel steckt in der Zündung.«
    Ängstlich und verwirrt bleibt sie stehen.
    »Du hast Leute
ermordet?
«
    »Ja.«
    »Wie viele?«
    »Ich weiß nicht. Um die zwanzig.«
    »Du
weißt
es nicht?«
    »Je nach Situation könnten ein paar überlebt haben.«
    »Du bist also ein Serienmörder?«
    »Technisch gesehen ja.«
    »
Technisch?
Ach du Scheiße.«
    In ihren Augen steht nackte Angst und Abscheu. Aber was soll ich sagen? Dass ich nie jemanden wie
sie
umgebracht habe? Dass ich als Erwachsener mal acht Jahre am Stück gelebt habe,
ohne
jemanden umzubringen? Und jetzt beinah schon wieder drei?
    Ich gehe weiter rückwärts in Richtung Straße. Will so weit weg vom Wagen, dass sie hinlaufen kann, ohne befürchten zu müssen, dass ich sie angreife.
     
    Ich quatsche den Highway entlang, bis ich zum CFS komme. Anderthalb Stunden brauche ich dafür.
    Jetzt, wo der Regen nachlässt, baut ein junger Kerl, den ich nicht kenne, die Sperre an der Straße zur Lodge wieder auf, diesmal mit Sägeböcken.
    »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«, fragt er. Er sieht mich an, als ob nicht allzu viele hier zu Fuß langkommen. Oder klatschnass.
    »Ich bin Lionel Azimuth. War bei Reggies Tour dabei. Ist hier in den letzten ein, zwei Stunden eine Frau durchgekommen?«
    »Die Paläontologin?«
    »Ja.«
    »Die ist unten in der Hütte. Sind Sie der Arzt?«
    »Ja. Hat sie eine Nachricht für mich hinterlassen?«
    »Nein. Aber jemand hat nach Ihnen gesucht. Ein Ind…«
    »Wann war das?«
    »Vor ungefähr einer Stunde.«
    »Und wo ist er jetzt?«
    »Weiß ich nicht. Wieder weg wahrscheinlich. Ich hab ihm gesagt, dass Sie nicht in der Hütte sind.«
    »Hat er gesagt, wie er heißt?«
    Der Junge kratzt sich schuldbewusst am Kopf. »Kann sein.«
    »Virgil Burton vielleicht?«
    »Ich weiß nicht mehr. Tut mir leid.«
    »Wie sah er aus?«
    Achselzucken. »Älter als Sie, meine ich mal. Graue Haare, aber
so
alt auch wieder nicht.«
    Klingt
nach Virgil Burton.
    »Ich brauche einen Fahrer«, sage ich. »Oder leihst du mir deinen Wagen?«
     
    Starker Regen fällt aus einem strahlend weißen Himmel, und das Gemeindezentrum ist geschlossen und verriegelt. Henry, der Junge, der mich hergefahren hat, wartet in seinem Subaru, während ich die Fenster des Gemeindezentrums abklappere. Ich halte einen »Moment noch«-Finger hoch und laufe über einen Baseballplatz und einen kleinen Abzugskanal zum ersten Haus, das ich sehe. Blanke Bretter. Niemand kommt an die Tür.
    Ein paar Häuser weiter öffnet eine Frau von Anfang dreißig. Nicht viel jünger als ich, was betroffen macht bei einer, die so offensichtlich ein Leben hat.
    »Ja?«, sagt sie. Misstrauisch, aber Gott sei Dank nicht ängstlich.
    »Kennen Sie Virgil Burton?«
    »Warum fragen Sie?«
    Auf der Zufahrt hinter mir höre ich Reifen. Ich nehme an, es ist Henry, der quasi im Schritttempo hinter mir hergefahren ist.
    Irrtum. Es ist Virgil Burton, der aus seinem Pickup steigt. Als ich mich wieder umdrehe, schließt die Frau gerade die Tür.
    »Was gibt’s, Mister?«, fragt Virgil.
    »Ich hab gehört, Sie suchen mich.«
    »Wie das? Per

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