Einmal gebissen, total hingerissen
einer Zukunft mit mir. Warum sollte das bei Jareth anders sein?
Buäh.
Ich zwinge mich zur Konzentration auf Snow Patrol, auf
die tiefen, melodischen Klänge, und ich versuche, die
überwältigende Traurigkeit zu verdrängen, die mich
mitzureißen droht.
Einige Minuten später bin ich so in die Musik versunken, dass ich das Klopfen an der Tür beinahe nicht höre.
»Rayne?«
Mom. Klasse. Ich frage mich, ob sie hier ist, um mich
anzubrüllen oder um Trost anzubieten. Ich frage mich, was nerviger wäre.
»Geh weg!« rufe ich und meine Stimme klingt ein wenig
wackelig. Ich hoffe, sie merkt nicht, dass ich geweint habe.
Diese Befriedigung will ich ihr nicht geben.
»Das ist wirklich nett, Rayne, danke«, erwidert sie. »Und ich werde deiner Bitte mit Freuden nachkommen. Ich dachte nur, du wüsstest vielleicht gern, dass ein Junge hier ist, der dich sehen will.«
Ich hebe den Kopf und blicke zu der geschlossenen Tür. Ein Junge? Welcher Junge könnte mich besuchen? »Wer ist es?«, frage ich gegen meine bessere Einsicht.
»Ich habe ihn noch nie gesehen«, antwortet Mom. »Er sagt, sein Name sei Jareth. Groß, mager. Eher der blasse Typ?
Ganz in Schwarz gekleidet, genauso, wie du sie magst«,
fügt sie hinzu und ich kann ein schwaches Lächeln in ihrer Stimme hören.
»Ich hoffe nur, er ist kein böser Vampir?«
Bei dieser Anspielung zucke ich ein wenig zusammen, aber ich weiß, sie tut ihr Bestes, um die Dinge zwischen uns aufzulockern. »Nein, ist er nicht«, sage ich mit all der falschen Tapferkeit, die ich aufbringen kann. »Er ist einer von den guten.«
Mom lacht. »Also, soll ich ihn raufschicken?«, fragt sie und ich kann die Erleichterung in ihrer Stimme hören, weil sie glaubt, ich hätte mich bemüht, witzig zu sein.
Aber ich habe keine Zeit für eine Analyse. Jareth ist hier.
Hier in meinem Haus. Und bald in meinem Zimmer. Oh
Mann! Ich bin so was von unvorbereitet. Ich sehe mich im Raum um und stelle fest, dass ich überall Kleider herumliegen habe und dass ich karierte Flanellhosen und ein T-Shirt trage.
»Rayne?«
»Ähm, ja, klar«, sage ich, während ich hektisch nach
schmutziger Wäsche greife und sie in den Korb schmeiße.
Normalerweise würde ich sie bitten, ob sie ihn für ein paar Sekunden aufhalten könne, aber ich will nicht, dass sie einen tausend Jahre alten Vampir danach fragt, welche Highschool er besucht.
Ich ziehe mich schneller aus als Superman in einer
Telefonzelle, schlüpfe in einen schwarz-weiß karierten
Rock und ein T-Shirt von einem Konzert der Smiths' und
laufe dann zum Spiegel.
Uh. Selbst in anderen Kleidern sehe ich nicht besonders heiß aus. Meine Augen sind vollkommen blutunterlaufen vom Weinen und mein Make-up ist ganz verschmiert. Ich
streiche mir mit dem Zeigefinger über die Haut unter
meinen Augen, um das überschüssige Schwarz
loszuwerden. Dann lege ich meinen blutroten Lippenstift auf. Vielleicht lenkt der von den Augen ab.
Als es an der Tür klopft, springt mir das Herz in die Kehle.
Warum bin ich so nervös? Es ist nur Jareth. Wir arbeiten jetzt seit fast einer Woche zusammen. Es ist rein geschäftlich. Und dieser eine Kuss? Nun, der hat nichts bedeutet. Es gibt also absolut keinen Grund auszuflippen.
Noch ein Klopfen. Diesmal lauter.
»Komm rein«, sage ich und spurte zu meinem Computer
zurück, als hätte ich die ganze Zeit dort gesessen. Er
braucht nicht zu wissen, dass er es wert war, neuen Lipgloss aufzutragen.
Er öffnet die Tür und tritt über die Schwelle in mein
Zimmer.
Ich hatte schon früher Jungen hier. Mom ist damit
einverstanden, solange wir die Tür offen lassen. Aber dies kommt mir irgendwie anders vor. Gefährlicher. Und da Jareth nichts von der Türregel weiß, macht er sie hinter sich zu, bevor er durch den Raum geht und sich aufs Bett setzt.
Mein Bett. Oh Mann! Jareth, der heißeste Vampir aller
Zeiten, sitzt auf MEINEM Bett. Ich wünschte, ich hätte
eine Webcam, sodass ich dieses monumentale Ereignis
hätte aufzeichnen können.
»Also, das Labor hat den Bluttest zurückgeschickt«, sagt er und kommt damit gleich zur Sache. »Und er ist positiv.«
Schluck. Bloß gut, dass er die Tür geschlossen hat. Wenn Mom die Worte »Bluttest« und »positiv« in demselben Satz gehört hätte, hätte sie mich ins Krankenhaus gekarrt, bevor ich ihr hätte erklären können, dass wir von Vampiren reden, nicht von HIV.
Ich drehe mich auf meinem Stuhl zu ihm um. »Positiv in
Bezug auf...?«
»Einen Moment.« Jareth
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