Einmal gebissen, total hingerissen
mustert mich mit seinen
durchdringend grünen Augen. »Hast du geweint?«
Ich runzle die Stirn. Klasse. Ich hätte ihm weiter den
Rücken zukehren sollen. »Nein. Natürlich nicht. Ich bin nicht die typische Heulsuse. Und jetzt erzähl mir von dem Spenderblut.«
Jareth zieht die Brauen zusammen. »Deine Augen sehen rot aus.«
»Allergien.«
»Und dein Make-up ist verschmiert.«
»Ich stehe auf den Mary-Kate-Olsen-Look , was soll ich
sagen?«
Jareth schüttelt den Kopf. Er kauft mir nichts davon ab.
»Was ist los, Rayne? Was ist passiert?«
»Nichts.«
»Du lügst.« Er steht vom Bett auf, kommt zu mir herüber undkniet sich vor meinen Stuhl, während er mit seinen ernsten Augen forschend mein Gesicht betrachtet. Ich drehe den Kopf zur Seite, um auf den Computer zu blicken, vor allem deshalb, weil seine besorgte Miene dazu führt, dass ich nahe dran bin, wieder in Tränen auszubrechen.
»Tue ich nicht.«
»Erzähl mir, was passiert ist. Hat dir jemand wehgetan?«
Er greift nach meiner Hand und drückt sie leicht, wobei er mit dem Daumen die Innenfläche meiner Hand liebkost.
»Du kannst es mir erzählen. Es ist okay.«
Und das, meine Freunde, ist der Punkt, an dem der Deich bricht und die Tränen sich wie Niagarafälle ergießen. Wie peinlich. Wie jämmerlich. Ich kann nicht fassen, dass ich so schwach bin. So verletzbar. Er wird mich für den größten Loser auf dem Planeten halten. Vielleicht im ganzen Universum. Falls es je eine Chance gab, dass er auch nur das geringste Interesse an mir hatte, ist die Chance jetzt dahin. Ich bin nur ein weinerliches, tränenüberströmtes menschliches Mädchen.
Jareth streicht mir eine Träne vom Gesicht. Seine
Berührung fühlt sich kühl an auf meinen brennenden
Wangen. »Erzähl es mir«, sagt er mit der sanftesten
Stimme, die ihr euch vorstellen könnt.
»Okay«, antworte ich, denn mir ist klar, dass ich an dieser Stelle nichts mehr zu verlieren habe. Ich schließe resigniert die Augen und versuche, meine Stimme zu finden. Ich öffne den Mund, um ihm die Geschichte über Mike Stevens zu erzählen, aber es kommt etwas vollkommen anderes heraus.
Etwas, das ich mit niemandem hatte teilen wollen, erst recht nicht mit ihm.
»Du erinnerst dich daran, dass ich dir von meinem Dad
erzählt habe? Das er uns vor vier Jahren verlassen hat, um
'sich selbst zu finden'?«
»Ja. Natürlich.«
»Nun, er hat sich offenkundig immer noch nicht gefunden.
Ich dachte, er würde zu meinem Geburtstag kommen.
Sunny und ich sind vor drei Tagen siebzehn geworden und er hat uns eine E-Mail geschickt, dass er nach Hause kommen würde, um mit uns zu feiern.« Ich schlucke. »Es
ist so blöd, aber . . .«
»Aber was?«
»Ich war so aufgeregt. Mein Dad ist umwerfend. Oder
zumindest war er das. Und ich habe ihn so lange nicht mehr gesehen. Ich schätze, ich dachte, wenn er nach Hause käme . .. wenn er uns wiedersehen würde . . . vielleicht . . .
vielleicht würde er dann wollen, dass . . . ich weiß
nicht . . .« Ich lache verbittert. »Dass er vielleicht
hierbleiben würde oder irgendwas. Oder zumindest
regelmäßigere Besuche plant. Wenn ich jetzt so darüber
nachdenke, klingt es total dumm.«
Jareth schüttelt den Kopf. »Überhaupt nicht dumm«, sagt er. »Für mich ergibt das absolut Sinn.«
»Wie dem auch sei, es spielt keine Rolle. Er ist nicht aufgetaucht. Außerdem sollte er den Kuchen mitbringen.« Ich lache. »Am Ende hatten wir eine Geburtstagsfeier ohne
Kuchen. Ziemlich uncool, hm?«
»Hat er angerufen, um euch den Grund zu sagen? Ist ihm
etwas dazwischengekommen?«
»Nein. Ich bin bis ein Uhr aufgeblieben, weil ich hoffte, die Tür würde doch noch aufgehen und er würde hereinkommen. Total idiotisch.« Meine Stimme bricht
erneut und ich schluchze jetzt wie verrückt. Können wir sagen, dass ich ein LOSER bin? »Sunny hat ihm am nächsten Tag eine E-Mail geschickt. Es hat sich
herausgestellt, dass er sich um irgendeine andere
Angelegenheit kümmern musste, und er sagt, er hätte
vergessen, uns Bescheid zu geben.«
»Eine andere Angelegenheit?«
»Er hat anscheinend eine neue Frau. Und sie hat Kinder.
Eins der Kinder hatte eine Schulaufführung oder
irgendetwas ...« Ich zucke die Achseln. »Wahrscheinlich läuft es auf Folgendes hinaus: Warum sich um die alte Familie kümmern, wenn man eine neue hat?«
Ohne Vorwarnung packt Jareth mich und zieht mich an
sich. Zuerst bin ich mir nicht sicher, was das betrifft, aber seine Arme fühlen sich so
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