Einmal Himmel und zurück: Der wahre Bericht einer Ärztin über ihren Tod, den Himmel, die Engel und das Leben, das folgte (German Edition)
diesen Prozess nicht bloß aus der Ferne beobachten. Meine tägliche Pendlerfahrt ins Zentrum von Los Angeles hatte auch zur Folge, dass ich selten – und niemals kurzfristig – an ihren schulischen Aktivitäten teilnehmen konnte. Zugleich blieb mir kaum Zeit und Kraft, über die Rolle nachzudenken, die Gott in meinem Leben spielte, oder darüber, inwieweit es seinem Plan entsprach. Zwar hatte ich mich verpflichtet, Gott in meinem Denken, Fühlen und Tun einen Platz in der ersten Reihe einzuräumen, aber offenbar wurde ich diesem Anspruch nicht wirklich gerecht.
Meines Erachtens ist das eine Tatsache, vor der heute viele junge Leute und zumal junge Familien stehen. Mein Pastor hatte einmal geschrieben, und ich zitiere ihn hier frei: »Ständig werden wir bombardiert von anderen, die ein Stück von uns haben wollen – unsere Zeit, unsere Talente und Kräfte. Manchmal haben wir diese Forderungen einfach satt und empfinden dann Gottes Ruf nur als eine zusätzliche Belastung, wo wir uns doch bereits völlig überlastet fühlen.«
Ein weiteres Problem – zahlreiche Frauen werden es bestätigen – ist das der berufstätigen Mütter. Heute wird ihnen mitgeteilt, dass sie alles schaffen und zugleich wunderbare Ehefrauen, großartige Mütter und fabelhafte Menschen sein können. Sie haben sich eingeredet, dass sie »Superfrauen« sein können und sein sollen, und genau so müssten sie auch tatsächlich sein, um jede Aufgabe zu meistern.
Doch die Wirklichkeit besteht immer aus Kompromissen. Ein Tag hat nur vierundzwanzig Stunden, und die Frau muss zwischen beruflichen Pflichten, familiären Bedürfnissen und persönlichen Wünschen Prioritäten setzen, um herauszufinden, wo und wie sie Opfer bringt. Diese Wahl zu treffen ist schwierig, da sich das Gleichgewicht ständig verschiebt, während man von der einen Lebensphase in die andere übergeht. Ich denke, es ist ebenso wesentlich wie heilsam, solche Gewichtungen von Zeit zu Zeit zu überprüfen und nötigenfalls Änderungen vorzunehmen.
Im Frühjahr 1993, nach der Geburt unseres dritten Kindes Betsy, begann ich über den weiteren Verlauf meines Lebens nachzudenken. (Was sonst kann man in den langen Stunden des nächtlichen Stillens tun?) Bei meinen früheren Erfahrungen – dem Autounfall, den ich als Teenager überlebt hatte, meinem Dienst in der mexikanischen Krankenstation, dem Tauchgang in den Florida Springs, wo ich fast ertrunken wäre, und bei anderen Ereignissen – sah ich deutlich Gottes Fingerabdrücke und Einflussnahme. So beschäftigte mich erneut die Frage, ob ich tatsächlich in Einklang war mit Gottes Plan. Zwar gingen wir zur United Methodist Church, angezogen von dem dort nachdrücklich verkündeten Bekenntnis zu Menschenrechten, Gerechtigkeit, Umweltschutz und Frieden in der Welt, aber das schien mir nicht zu genügen. Das geistig-seelische Wohlergehen meiner Kinder hatte für mich obersten Vorrang, und deshalb sollten sie nicht nur Gottesdienste besuchen, sondern auch eine persönliche Verbindung zu einem lebendigen Gott eingehen und diese tagtäglich erfahren.
Mir wurde bewusst, dass mein Leben allmählich aus dem Gleichgewicht geriet. Einerseits kam ich zu der Überzeugung, dass mir die akademische Tätigkeit nicht den Freiraum ließ, um die gewünschten Prioritäten zu setzen, andererseits machte mir die profane Atmosphäre in der Universität immer mehr zu schaffen. Ich wollte die verschiedenen Aspekte meines Lebens nicht nur aufeinander abstimmen, sondern harmonisch miteinander verbinden. Meine geistige Sehnsucht passte nicht zu dem Verlangen nach Ehre, Macht und/oder Geld, das die meisten Mitglieder der Fakultät zu haben schienen.
Doch obwohl ich mich zunehmend isoliert fühlte, fiel es mir schwer, meine Stelle aufzugeben. Ich wusste, was ich in diesem Umfeld erwarten konnte, war mir aber nicht sicher, ob die Situation anderswo besser wäre. Wie für viele Menschen ist auch für mich eine bekannte Situation, wie lästig sie sein mag, oft angenehmer und leichter zu akzeptieren als die Angst vor dem Unbekannten.
Im Rückblick kann ich erkennen, in welcher Weise und wie häufig Gott mich gerufen und aufgefordert hat, die Richtung meines Lebens zu ändern. Da ich nicht auf ihn hörte, musste er schreien.
Weitere Chirurgen kamen an unsere Fakultät, wodurch die Arbeitsatmosphäre für mich noch weniger vereinbar war mit der Vision, die ich von meinem Leben hatte. Im Jahre 1996 stellte der Dekan einen Chirurgen ein, der meiner Abteilung
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