Einmal Himmel und zurück: Der wahre Bericht einer Ärztin über ihren Tod, den Himmel, die Engel und das Leben, das folgte (German Edition)
»zufällig« eine meiner Freundinnen in Jackson Hole. So kam es, dass sie ihn ins Krankenhaus führte, damit wir gemeinsam beten konnten. Um zu begreifen, wer dieser Pater Ubald ist und wofür er steht, muss man zumindest einen Teil seiner Geschichte kennen.
Die Ursachen des Genozids in Ruanda sind vielschichtig, und die ethnischen Konflikte zwischen Hutus und Tutsis bestehen schon seit langem. Nach der Ermordung von Präsident Juvénal Habyarimana, einem Hutu, im Jahre 1994 entluden sich die starken Spannungen zwischen den Stämmen: In einem Zeitraum von nur hundert Tagen wurden mehr als 800 000 Menschen systematisch umgebracht.
Inmitten des Massakers musste Pater Ubald – ein katholischer Priester, dessen Vater, ein Tutsi, beim Sturz der ruandischen Regierung 1962 ermordet worden war, ihn selbst hatten Kollegen im Priesterseminar während der 1980er-Jahre mit dem Tode bedroht – zunächst in die Residenz des Bischofs flüchten und dann in den Kongo, als Gegenleistung für das Versprechen der Hutus, den Tutsis in seiner Gemeinde nichts anzutun. Sofort nachdem er das Land verlassen hatte, brachen sie ihr Versprechen und schlachteten in dieser großen Gemeinde etwa 45 000 Tutsis ab. Über 80 Mitglieder aus seinem engen und erweiterten Familienkreis – einschließlich der Mutter – wurden während der ersten beiden Wochen des Blutbads niedergemetzelt.
Vor der Flucht gab Pater Ubald dem Bischof sein Wort, dass er zurückkehren werde, um sein Volk zu heilen. Das Massaker endete schließlich, als die Ruandische Patriotische Front ( RPF ) erneut an die Macht kam, doch die Überlebenden waren entsetzt und verwirrt angesichts der Gewalt des Bösen, die in ihrem Land entfesselt worden war. Die Mitglieder aller ethnischen Gruppen empfanden ein tiefes Schuldgefühl – wegen des Tötens, wegen ihres Überlebens und weil sie nicht genug getan hatten, um die Konflikte zu verhindern oder wenigstens abzuschwächen. Viele dürsteten nach Rache, aber es heißt ja: »Keine Rache ist so vollständig wie das Verzeihen.«
Pater Ubald verbrachte viele Monate im Gebet, und seine Tränen füllten einen Fluss, ehe er sich auf den Weg nach Lourdes in Frankreich machte. Dort hörte er während einer Meditation über die Kreuzwegstationen Gottes Stimme, die ihm mitteilte, seine Kümmernisse loszulassen und »das Kreuz zu tragen«. Gott überschwemmte sein Herz mit einer Versöhnlichkeit, die nur von ihm kommen kann. Später traf sich Pater Ubald mit dem Bürgermeister seiner Stadt, der die Ermordung seiner Mutter angeordnet hatte, und vergab ihm. Er übernahm die Verantwortung für dessen Kinder, behandelte sie wie seine eigenen und finanzierte sogar ihre Ausbildung.
Pater Ubald strahlt die Reinheit der göttlichen Gnade aus und predigt von Vergebung und Versöhnung. Außerdem hält er in Ruanda, Europa und den Vereinigten Staaten große Versammlungen ab, auf denen er seine Gaben einsetzt, um andere zu heilen und innerlich zu erneuern. In Ruanda errichtet er gerade ein Zentrum namens The Secret of Peace (Das Geheimnis des Friedens), das sich um die Menschen dort sowie in den angrenzenden Gebieten in Kongo und Burundi kümmert, wo sie so viele Kriege, so viel Leid und Armut erdulden mussten. Unermüdlich arbeitet er auf das Ziel der Vergebung, der Versöhnung und des Friedens hin – für die Völker in Ruanda und der ganzen Welt.
Seine Lebensgeschichte und seine Erfahrung im Heilen waren der Grund, warum meine Freundin Katsey mit ihm ins Krankenhaus kam. Er sollte über meinem Knöchel Gebete sprechen. Als beide eintrafen, fühlte ich mich wegen der Betäubungs- und Schmerzmittel so schlecht, dass sie schnell wieder das Zimmer verließen. Am nächsten Tag bestand Pater Ubald darauf, ich solle ihn in Katseys Haus besuchen, sobald es mir besser ginge. Ich vereinbarte ein Treffen für einen der Tage danach und brachte Bill mit.
Wir plauderten kurz miteinander, doch dann konzentrierte sich Pater Ubald sofort auf Bill. Zusammen beteten sie mehr als eine Stunde. Dieser wunderbare Anblick rührte mich fast zu Tränen, denn nie hatte ich Bill nach außen hin in einem so vergeistigten Zustand gesehen; das war eine Antwort auf meine jahrelangen Gebete.
In der Woche darauf kam Pater Ubald zu uns zum Abendessen, und schon bald drehte sich das Gespräch um das Thema Verlust. Wenn man seine Geschichte von Verlust und Trauer kennt, lauscht man ihm mit höchster Aufmerksamkeit. Wir waren also in Bann geschlagen, während er seine Erfahrungen und
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