Einmal Himmel und zurück: Der wahre Bericht einer Ärztin über ihren Tod, den Himmel, die Engel und das Leben, das folgte (German Edition)
emotionaler und spiritueller Hinsicht jener Fels in der Brandung zu sein, der sich nach Willies Tod als so wichtig für meine Familie und meine Gemeinde erwies. Hätte ich das Buch einige Jahre vorher geschrieben, wären mir die Worte, die der Engel an mich richtete, oder die zahlreichen Gründe für meine Rückkehr zur Erde vielleicht nicht derart deutlich bewusst gewesen.
Bill und ich stellten überrascht fest, dass während des ersten Jahres ein Gefühl in uns vorherrschte: Angst. Die Angst, dass wir aus dem emotionalen Nebel nie wieder auftauchen; dass wir niemals mehr Freude empfinden können; dass wir unsere verbliebenen Kinder im Stich lassen; dass wir unser Gedächtnis löschen. Ich glaube, darin spiegelte sich vor allem die Angst vor einer ungewissen Zukunft, zu der unser Sohn, den wir so innig liebten, nicht dazugehören würde. Jemand sagte zu mir: »Wenn du mit all dem liebst, was du hast, trauerst du mit all dem, was du bist.« Dieser Ansicht würde ich zweifellos zustimmen.
Ich war fest davon überzeugt, dass Gott, wenn wir ihn darum bitten, uns in dieser Phase tiefer Verletzlichkeit nicht nur trägt, sondern auch unsere Seelen beschützt. Trotzdem war es für meinen Mann äußerst schwer, nicht nur seine Gefühle der Trauer und der Angst zu überwinden, sondern auch das der Verzweiflung.
32
Perfektes Timing
Es gibt etwas Gutes in den Schlechtesten von uns
und etwas Böses in den Besten von uns.
Sobald wir das entdecken,neigen wir
weniger dazu, unsere Feinde zu hassen.
Martin Luther King
Ich bin eine leidenschaftliche Skifahrerin, und acht Monate nach Willies Tod liefen mein Sohn Eliot und ich Ski im Hinterland. Dort muss man an der Unterseite der Skier synthetische Tierhäute befestigen, um verschneite Gebirgsregionen ersteigen zu können, die sonst unzugänglich wären. Auf dem Gipfel werden die Häute entfernt, und der Nervenkitzel bei der Abfahrt in meist frischem Pulverschnee lohnt dann den anstrengenden Aufstieg.
Ich liebe es, meine Kinder zu erheitern, und vollführte am späten Nachmittag demonstrativ einige Schwünge vor Eliot, der die Szene mit der Videokamera filmte. Dabei wollte ich einen Graben überspringen und »abheben«, was ich eigentlich nicht so gut kann, was aber meine Kinder zum Lachen bringt. Statt abzuheben, verdrehten sich jedoch meine Skier, und ich brach mir den Knöchel. Wenigstens konnte Eliot den Sturz auf Filmmaterial verewigen!
In dieser Situation waren meine Optionen ziemlich begrenzt. Ich konnte nicht mehr Ski fahren, und Eliot konnte mich nicht tragen. Zunächst dachten wir daran, aus unseren Skiern eine Art Schlitten zu konstruieren, aber das schien in Anbetracht des hohen Hügels vor uns nicht ratsam. Mir war bereits kalt, und es würde einige Stunden dauern, bis Eliot die Bergwacht informiert und diese mich gefunden hatte. Also bestand die einzige vernünftige Option darin, meinen Skistiefel enger zu schnallen (um den Knöchel besser abzustützen) und mich für einen langsamen, sehr schmerzhaften Marsch aus dem Hinterland zu rüsten. Ich benutzte die Skistöcke und das unversehrte Bein, um die Hänge hochzusteigen und zu überqueren, stets verzweifelt darum bemüht, das verletzte Bein nicht zu belasten. Die Rückkehr zum Auto war eine mehrstündige Tortur, begleitet von Flüchen, die für ein ganzes Leben gereicht hätten.
Dazu eine interessante Nebenbemerkung: Ich hatte kurz zuvor eine Studie von Stephens, Atkins und Kingston gelesen ( NeuroReport , Band 20, Ausgabe 12, 5. August 2009, S. 1056–60), in der sie das Fluchen als Reaktion auf Schmerz untersuchten. Es wurden zwei Datenreihen erstellt, die darauf basierten, wie lange die Versuchspersonen imstande waren, ihren Arm in Eiswasser eingetaucht zu lassen – ein bekannter Schmerzstimulator –, während sie entweder ein allgemein übliches Wort zur Beschreibung eines Tisches herausschrien oder einen vulgären Ausdruck ihrer Wahl. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass die Schmerztoleranz wesentlich größer war, wenn die Versuchspersonen den vulgären Ausdruck ihrer Wahl benutzten. Auf dem Weg zurück zum Auto führte ich mein persönliches Experiment durch. Einmal brüllte ich Wörter wie »Schnee« und »Baum«, dann wieder verschiedene vulgäre Ausdrücke. Am Ende war ich mit den Ergebnissen der Studie voll und ganz einverstanden.
Noch am gleichen Abend wurde ich am Knöchel operiert und verbrachte die Nacht im Krankenhaus. Ein ruandischer Priester namens Pater Ubald besuchte gerade
Weitere Kostenlose Bücher