Einmal Hochzeit und zurück
reden und mich bei ihm entschuldigen.
Justin öffnete die Tür.
»Hey«, sagte er, und in seinem Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus Verwirrung, Furcht und Freude. Seine Haare waren nass, er kam wohl eben aus der Dusche. Vermutlich hatte er gerade in den Spiegel gestarrt und an irgendwas herumgedrückt, zumindest meinen eigenen Teenie-Erfahrungen nach zu urteilen.
Ich blieb wie angewurzelt stehen und war plötzlich ganz schüchtern und befangen. »Hi«, murmelte ich und starrte angestrengt auf meine Schuhspitzen.
Er guckte mich mit Dackelblick an. »Tut mir Leid wegen neulich. John ist so ein Blödmann. Er tut immer, als wäre ich ein kleines Kind.«
»Dafür kann er nichts«, erwiderte ich. »Ähm, ist er vielleicht gerade da? Ich würde gerne mal kurz mit ihm reden, wenn‘s geht.«
Justin guckte etwas verwirrt, als er das hörte. »Warum?«
Ich musste mir was aus den Fingern saugen.
»Äh, meine Mutter hat mich gebeten, ihm etwas zu bringen. Langweiliger Kram. Typisch Erwachsene - irgendeine Quittung oder so was.«
»Ach so.«
Er wirkte nicht ganz überzeugt, aber mehr konnte ich im Augenblick nicht tun.
»Äh ... er guckt gerade Fußball. Aber willst du vielleicht ... einen kleinen Spaziergang machen oder so? Meine Mum leiht mir das Auto zwar nicht, aber die sind nicht da. Wir könnten also ...«
»Warum leiht sie dir denn nicht das Auto?«
»Tut nichts zur Sache. Eigentlich bin ich nämlich ein sehr guter Fahrer.«
»Mit Sicherheit«, erwiderte ich lächelnd. »Später vielleicht?«
Er starrte mich noch mal durchdringend an, dann riss er sich zusammen. »Möchtest du reinkommen?«
»Danke«, sagte ich nervös. Vorsichtig trat ich über die Schwelle.
»John!«, brüllte Justin. Aber der war schon längst da und stand im Halbdunkel des Flurs.
»Was willst du?«, fragte er unwirsch. »Ahm, meine Mum hat gesagt, wir müssen ... uns unterhalten«, stammelte ich.
Er wirkte wie vor den Kopf geschlagen. Wie kam es nur, dass ein Teenager diesen offensichtlichen Vorwand durchschaute, während ein Erwachsener blind darauf hereinfiel?
Wir saßen in der Küche und schauten auf das bunte Herbstlaub, das draußen durch den Garten wehte. Justin drückte sich in der Nähe herum und versuchte uns zu belauschen, aber Clell schnauzte ihn an, er solle sich verziehen, und kurz darauf saß er wieder im Wohnzimmer und brüllte unbekümmert die Fußballspieler an.
»Es tut mir aufrichtig Leid«, erklärte ich.
Clelland löffelte gerade Kaffeepulver in zwei Tassen. »Kein Filterkaffee, leider«, murmelte er mürrisch. »Meine Eltern mögen den nicht. Milch und zwei Stück Zucker, richtig?«
»Nein«, sagte ich. »Nur Wasser, bitte.«
»Ach, komm schon. Sei kein Kaffee-Snob!«
»Okay. Mit Milch und zwei Zucker. Und übrigens, falls du eben nicht zugehört hast: Ich sagte, es tut mir Leid.«
Der Wasserkessel schaltete sich ab, und er goss Wasser in die beiden beigefarbenen Becher mit dem Ährenmotiv, die genauso alt waren wie die Ehe seiner Eltern. Er machte alles ganz bedächtig, füllte das Wasser in die Tassen, fügte Milch und Zucker hinzu und stellte den Kaffee auf den Tisch. Dann atmete er tief aus und fuhr sich geistesabwesend mit der Hand durch die Haare. Ich fand das alles unheimlich irritierend. Und gleichzeitig irgendwie sexy.
»Ich hab‘s gehört«, erwiderte er.
»Gut«, sagte ich. »Vielleicht könntest du dann aufhören, so zu tun, als wärst du Mickey Rourke in einem seiner schrecklichen Filme.«
»Na ja, wenn ich Mickey Rourke bin, dann bist du ...« Er dachte einen Augenblick nach. »Irgendeine inzestuöse Kinderschänderin, die mir gerade nicht einfällt.«
Mit glühend heißen Wangen sprang ich auf. »Ich bin hergekommen, weil ich mit dir reden wollte«, sagte ich. »Oder ist das reine Zeitverschwendung?«
Er stand ebenfalls auf. »Okay. Nein. Setz dich wieder.«
Ich setzte mich. Dann spielten wir ziemlich lange an unseren Kaffeetassen herum. Ich fing an, im Zucker herumzurühren, und zog Muster in die glatte Oberfläche wie in einem japanischen Zen-Garten.
»Du und ich«, setzte ich an, schluckte nervös und bemühte mich, ihm nicht in die Augen zu sehen, um mich nicht wieder total aus dem Konzept bringen zu lassen. »Das ist sehr lange her.«
»Ich weiß«, erwiderte er.
»Ich weiß nicht, warum ich nie darüber hinweggekommen bin.«
»Ich wusste nicht, dass du nie darüber hinweggekommen bist.«
»Das ist mir klar.«
»Bis ich dich wiedergesehen habe.«
Zuerst dachte ich,
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