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Einmal Hochzeit und zurück

Einmal Hochzeit und zurück

Titel: Einmal Hochzeit und zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Colgan
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dämmerte es mir ganz langsam ... vielleicht hatte ich dann auch keine Wohnung in Maida Vale. Schließlich war auch meine Brieftasche verschwunden.
    Nein. Das war ja schrecklich. Obwohl, wenn ich mal in Ruhe darüber nachdachte ... nein, das half natürlich auch nicht. Je mehr ich darüber nachdachte, desto schlimmer wurde es.
    Mal sehen. O mein Gott. Keine Wohnung zu haben bedeutete ... kein Geld ... keinen Job ... kein ... Glauben Sie mir, es ist zutiefst erschütternd, sich eingestehen zu müssen, dass der einzige Mensch, der nachvollziehen kann, wie tief man in der Klemme sitzt, ein Verschwörungstheoretiker wie David Icke ist.
    Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Scheiße. Jemand kam zur Haustür herein. Bitte, bitte, bitte lass es einen der Nachbarn von oben sein. Bitte.
    Die Schritte blieben vor der Wohnungstür stehen, und ich tauchte hinter dem modernen schwarzen Ledersessel mitten im Zimmer ab - der nebenbei bemerkt ziemlich gut aussah. Die Tür ging auf. Eine Schrecksekunde lang dachte ich, ich oder vielmehr mein 32-jähriges Ich - käme da zur Tür herein.
    Gott sei Dank war ich es aber nicht, auch wenn die Frau mir sehr ähnlich sah. Sie sah wohl so aus, wie ich mal ausgesehen habe. Anscheinend war ich doch nicht so einzigartig, wie ich immer gedacht hatte.
    Ungefähr in meinem (alten) Alter, recht schlank und im lässigen Hosenanzug. Ich mochte ihr Gesicht. Sie sah aus wie eine, mit der man gerne befreundet wäre. Wie ein netter, lustiger, erwachsener Mensch. Sie würde einen Schreikrampf bekommen, wenn sie wüsste, dass ein mürrischer Teenager im billigen Anorak sich hinter ihrem Sofa versteckte.
    »Scheiße!«, brüllte sie. »Wo ist mein Scheiß-Schlüssel?«
    Sie fing an, Kissen und Papier auf den Boden zu werfen. War London wirklich voller schlecht gelaunter Frauen Mitte dreißig? Wer immer dieses Mädel sein mochte, es war, als würde ich einer Kopie meiner selbst zusehen. War ich wirklich immer so gestresst? Hatte ich daher diese Sorgenfalten mitten auf der Stirn?
    »Okay. Schlimm genug, dass ich schon zu spät dran bin für das Meeting mit meinem dämlichen Boss, aber in diesem überteuerten Schuhkarton findet man auch rein gar nichts.«
    Das war unheimlich. Das könnte ich sein. Bei genauerer Betrachtung sah ich, dass sie eine wirklich tiefe Falte mitten auf der Stirn hatte und um die Hüften etwas zu füllig war zu viele Stunden vor dem Rechner, zu viele Geschäftsessen. Kein Ehering. Kopflos, hektisch.
    Sie war nicht ich. Aber sie war‘s doch.
    Als sie ihren Schlüssel gefunden und die Tür auf dem Weg nach draußen zugeknallt hatte, setzte ich mich auf den Boden und fing an zu heulen. Ich heulte Rotz und Wasser. Große nasse Tränen, die mir die Nase herunterliefen und mir im Hals wehtaten. Was passierte hier mit mir? Was sollte ich nur machen? War ich für alle anderen ausgelöscht? Aber was war mit Mum und Dad? Die schienen mich zu kennen. Wo war ich gewesen? Wo war ich jetzt?
    Ich tat mir ja so Leid. Aber auch wenn man sich die Augen aus dem Kopf heulen will, irgendwann hat man keine Tränen mehr. Ich zwang mich aufzustehen, und schnell verließ ich dieses Haus, das nicht mehr meins war, und ich fragte mich, wer ich wohl sein mochte und wo das alles hinführen sollte.

4. Kapitel
    Ich lief. Ich lief und lief, stundenlang. Jedes Mal, wenn ich mein Spiegelbild zufällig in einem Schaufenster sah, wäre ich beinahe in Ohnmacht gefallen. Das konnte doch nicht wahr sein. Es war entsetzlich. Ich hatte kein Geld, aber aus der Wohnung dieser netten Frau hatte ich auch nichts stehlen wollen. Als Erstes machte ich mich auf den Weg zu meinem Büro am »Strand« und lief den ganzen Weg von Maida Vale zu Fuß. Dort angekommen ging ich zum Empfang.
    Halt, stopp. Hier stimmte doch was nicht. Am Empfang stand der gleiche Wachmann, den ich in den letzten elf Jahren jeden Morgen dort gesehen hatte. Und er sah keinen Tag jünger aus. Es schien also, als sei ich ganz allein in diesem Albtraum gefangen. Von meinen Eltern mal abgesehen. Was die ganze Sache erst recht zu einem Albtraum machte. O Herr im Himmel.
    »Hey, Jimmy«, sagte ich zu dem Wachmann, genau wie ich es die letzten elf Jahre auch immer getan hatte.
    Er musterte mich misstrauisch. »Kann ich dir irgendwie weiterhelfen?«
    Eigentlich hatte ich Hunger - einen Bärenhunger. Ich hatte das Frühstück eigentlich immer ausfallen lassen, aber augenblicklich war ich so hungrig wie seit Jahren nicht mehr. Ich hätte ihn am liebsten gebeten, mir ein

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