Einmal Hochzeit und zurück
noch 29 Tage bis zur Hochzeit, und du passt immer noch in Kinderklamotten und musst nicht mal Mehrwertsteuer dafür bezahlen. Wie kannst du da in der Hölle sein?«
»Schule ist scheisse!«, sagte ich.
»Ach, Mäuschen, diesmal muss es doch leichter sein. Denk an all die schlauen Sachen, die du weißt.«
»Ich bin das unbeliebteste Mädchen der ganzen Schule!«
»Nein! Gibt es denn keine Kinder mehr, die mit Isolierband zusammengeflickte Brillen tragen?«
»Ich glaub nicht«, schniefte ich. »Und meine beste Freundin ist selbstmordgefährdet.«
»Wie meinst du das?«
»Meine beste Freundin. Sie ist ein bisschen ...«
»Ich bin deine beste Freundin.«
»Das weiß ich«, sagte ich bedächtig. »Ich meine, in dieser neuen Welt.«
»Magst du sie lieber als mich?«
Ich heulte noch mehr.
»Ich meine, ich weiß, ich hatte viel zu tun wegen der Hochzeit und so, aber -«
»Nein nein nein nein. Stopp. Halt die Klappe. Du bist meine beste Freundin. Die hier ist bloß ein seltsames Wesen, das dauernd hinter mir herdackelt, okay?«
»Ist sie hübsch?«
»Sie sieht aus wie eine bösartige Katze.«
»Ach?«
»Und sie hat eine Stimme wie eine rostige Gießkanne.«
Tashy klang nicht mehr ganz so misstrauisch. »Okay. Halt die Ohren steif, ich komme heute Abend vorbei und hole dich ab.«
»Ich kann heute Abend nicht weggehen.«
»Warum nicht?«
»Tashy! Ich habe Stubenarrest. Und ich muss nachsitzen.«
»Du Dummerle, stell dich nicht so doof an. Brauchst ja nicht hingehen.«
»Die stecken mich in ein Heim für Schwererziehbare.«
»Weißt du was, am Telefon klingst du ganz wie die alte Flora«, bemerkte Tashy nachdenklich.
»Ich bin die alte Flora, okay? Wir müssen die Situation in den Griff kriegen. Ich kann nicht einfach dasitzen und Däumchen drehen.«
»Durften wir mit sechzehn abends echt nicht ausgehen?«
»Doch, aber nur unter kontrollierten Bedingungen.«
»Kannst du deinen Eltern nicht erzählen, du würdest zu deiner neuen besten Freundin gehen - wie hieß sie noch gleich?«
»Constanzia.«
»Con-was?«
»Und außerdem, nein, denn ich habe weder ihre Telefonnummer noch weiß ich, wo sie wohnt. Und ich habe Stubenarrest.«
Tashy seufzte schwer. »Das ist ja schrecklich.«
»Es ist die Hölle«, sagte ich. »Bist du ganz sicher, dass ich nicht bei einem furchtbar tragischen Unfall ums Leben gekommen bin und du bist bloß zu nett, um es mir zu sagen?«
»Wenn uns das auf der anderen Seite erwartet, dann hoffentlich nicht.«
Beim ersten Mal hatte ich nie nachsitzen müssen. Ja, ich war so ein Mustermädel gewesen. Und jetzt, wo ich zusah, wie alle anderen lachend und kreischend nach draußen hüpften, wo die Autos und Busse in Trauben warteten, wurde mir klar, dass es eine hervorragende Bestrafungsmethode war.
Natürlich wollten die meisten Schüler nach Hause gehen. Ich auch. Aber mein Zuhause gab es nicht mehr.
Leicht seufzend stapfte ich an diesem milden Septembernachmittag dorthin, wo meiner Erinnerung zufolge die bösen Jungs zum Nachsitzen eingepfercht wurden und aus dem Fenster hingen und hinter den Mädchen her pfiffen wie Knackis im Knast (wo einige von ihnen inzwischen tatsächlich gelandet sind).
Mr. Rolf patrouillierte vor dem Raum auf und ab, aus dem man die Jungs brüllen und sich gegenseitig Beleidigungen an den Kopf werfen hörte. Er grinste ziemlich fies, als er mich kommen sah, und mein Lehrersarkasmus-Warnsystem piepste aufgeregt.
»Ah, Miss Scurrison. Wie es mich freut, dass Sie an diesem wundervollen Abend zu uns gefunden haben. Ich weiß, Sie nehmen zum ersten Mal an diesem allseits geschätzten, großartigen gesellschaftlichen Ereignis teil, zu dem nur die größten Denker und Charmeure der kulturellen Elite der Christchurch Secondary School geladen sind. Aber ich denke, Sie werden sich gleich wie zu Hause fühlen.«
Ich ging hinein, mit vor Angst immer schneller klopfendem Herzen. Die Jungs hier drinnen sahen aus wie Halbstarke, bei denen man, begegnete man ihnen in freier Wildbahn, die Straßenseite wechseln würde, um ihnen aus dem Weg zu gehen. Die übliche, leicht entzündliche Mischung aus unsicherem Teenie-Gehabe, Prahlerei, Hormonen und Cider. Wer ist eigentlich so doof und wird freiwillig Lehrer?, fragte ich mich nicht zum ersten Mal. Wann hatte man an dem Job überhaupt mal Freude? Da ziehe ich aber jederzeit einen langweiligen, sicheren Schreibtisch, einen Computer und Papierstapel mit langen Zahlenkolonnen vor. Kaum zu glauben, dass ich schon
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