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Einmal Hochzeit und zurück

Einmal Hochzeit und zurück

Titel: Einmal Hochzeit und zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Colgan
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nostalgische Anwandlungen beim Gedanken an Neonröhren und vierteljährliche Steuerrückzahlungen bekam.
    Ein kollektives »Boah« ging durch die Reihen, als ich eintrat. Sie kannten mich offensichtlich, und ich bezweifelte, dass ich vorher schon mal hier drinnen gesichtet worden war. Es war verrückt. Ich konnte es nicht fassen, dass diese wildfremden Idioten mit einem gemeinsamen IQ von ungefähr 45 mehr über mein Leben wussten als ich.
    »Hey, sexy Baby. Willste mal ´ne Nachhilfestunde?«, fragte einer dieser pickelgesichtigen Hünen, der neben mir in der Bank hing und langsam, aber zielstrebig das Wort Fuck in die Platte ritzte.
    »Ja«, grölte ein anderer. »Ich sorge schon dafür, dass du noch ein bisschen länger bleibst... sehr viel länger ...«
    Ich blickte hoch. Bald würden sie anfangen, mit frei erfundenen sexuellen Erfahrungen zu prahlen und das Thema wechseln.
    »Dich hab ich hier noch nie gesehen«, sagte ein Skinhead.
    »Frischfleisch!«, johlte jemand aus der letzten Reihe, zur allgemeinen Belustigung. Kaum zu glauben, aber der blöde Rolf stand daneben und ließ sie gewähren. Wäre mir so was im Büro passiert, hätte Olly den ganzen beschissenen Haufen innerhalb von 15 Sekunden wegen sexueller Belästigung verklagt.
    Ich setzte mich. An der Tafel stand: »Aufsatzthema: Vom Nutzen des Nichts«.
    »Hey, Baby, jetzt, wo du zu uns gehörst, meinst du, jetzt... wirst du mal ein bisschen lockerer, hm?«, flüsterte eine schwitzige Stimme in meinem Rücken.
    »Fick dich ins Knie«, erwiderte ich.
    Ein vernehmliches »Oh« ging durch die Reihen. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Das war ja grässlich. Nicht zu glauben, dass ein Lehrer zuließ, dass Schüler derart eingeschüchtert wurden. Ich fühlte mich richtiggehend bedroht.
    »Fluchen Sie etwa, Miss Scurrison?«
    Augenblicklich löste sich jegliches Mitleid, das ich für diesen gebrochenen Mann empfunden hatte, in Luft auf. Stattdessen gab ich mich kurz meinen Rachegelüsten hin und fantasierte von Gefängnissen und endlosen Bestrafungen. Inklusive Tritten.
    »Nein, Sir«, antwortete ich rasch wie ein verängstigter Hund.
    »Doch, hat sie wohl, Sir.«
    »Möchten Sie uns gerne bald mal wieder besuchen?«
    »Nein, Sir.«
    Er nickte und wies auf die Tafel. »Dann machen Sie sich lieber an die Arbeit.«
    Er verließ das Zimmer - es ging eindeutig bergab mit der Schule, wenn sie die Schüler fürs Nachsitzen schon auf zwei Klassenzimmer verteilen mussten. Mein Gesicht brannte, weil ich Angst hatte und mich ungerecht behandelt fühlte. Jemand wisperte mir zu: »Wir kriegen dich schon noch, du Nutte.«
    Lieber Gott.
    Plötzlich hörte ich ein Klatschen und Knacken. Es klang, als hätte jemand einem anderen mit voller Wucht ein Lineal auf die Fingerknöchel geknallt.
    »Scheiße«, sagte dieselbe Stimme.
    »Schnauze, verdammt«, sagte eine andere, irgendwie vertraute Stimme. »Willst du wegen sexueller Belästigung dran sein oder bloß den Rest deines Lebens hier verbringen?«
    »Hä?«
    »Halt einfach die Schnauze, okay?«
    Ich riskierte einen Blick über die Schulter - und hätte beinahe einen Herzinfarkt erlitten. Beim Reinkommen hatte ich den Blick fest auf den Boden geheftet und mich gleich ganz vorne in die erste Reihe gesetzt. Weshalb ich den Jungen auch nicht bemerkt hatte, der gerade einen anderen am Ohr gepackt hatte, festhielt und mit einem Lineal bedrohte.
    »Scheiße«, zischte der Rüpel, widmete sich dann aber wieder brav seiner Lektüre.
    Justin Clellands und meine Blicke trafen sich. Natürlich wies nichts darauf hin, dass er mich kannte, außer als irgendein Mädchen, das er schon mal im Vorbeigehen in der Schule gesehen hatte. Er zeigte kein Interesse, keine Neugier, kein Misstrauen und machte keinerlei Anstalten zu flirten. Ganz im Gegensatz zu mir, die ich mit offenem Mund dasaß und ihn anstarrte. In seiner Schuluniform sah der Kerl Clelland so ähnlich, dass ich mich am liebsten übergeben hätte.
    »Danke«, sagte ich.
    Er zuckte die Achseln und setzte sich wieder auf seinen Platz direkt hinter mir.
    »Flora«, sagte ich und streckte ihm die Hand hin. Er starrte darauf wie auf einen seltsamen Käfer. Vielleicht gab man sich in unserem Alter noch nicht die Hand.
    Schließlich schüttelte er meine dargebotene Rechte dann doch. »Ich weiß«, sagte er. »Du hängst immer mit diesem verrückten dunkelhaarigen Mädel rum.«
    Ich nickte. »Und du bist Justin.«
    Er nickte höflich. Klar, er musste eine Klasse über mir sein.

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