Einmal Hochzeit und zurück
anstrengende Woche war, da dachte ich ...«
Mein Dad schaute mich an. Einen Moment glaubte ich, er könne meine Verwirrung und meinen innerlichen Aufruhr spüren.
»Glaub ja nicht, dass du von uns Geld bekommst.«
»Du willst doch diesen Job nicht verlieren, Flora«, sagte meine Mutter vorwurfsvoll. »Das sind nette Leute da im Supermarkt. Und Duncan, um Gottes willen, halt endlich die Klappe. Wenn sie Geld braucht, tja, dann -«
»Nein, natürlich nicht«, unterbrach ich sie rasch. Hatten die beiden immer so miteinander geredet? Ich war zwar manchmal Ol gegenüber ein bisschen schnippisch, aber das hier war ja kaum auszuhalten. »Aber, wisst ihr, ich habe einen Haufen Hausaufgaben zu erledigen und ...«
Ich stand auf und verließ den Tisch. Mein Dad funkelte meine Mutter wütend an. Er sah aus, als ginge ihm etwas durch den Kopf, was er niemals laut aussprechen würde.
Punkt eins auf meiner Liste: Mich im Supermarkt feuern lassen. Tashy würde mir ganz bestimmt ein bisschen Geld pumpen. In ihrem Hochzeitssparstrumpf steckte Kohle ohne Ende. Und wenn ich erst raus war aus diesem Schlamassel, dann würde ich es ihr zurückzahlen. Mannomann. Wenn ich erst mal hier raus war, dann würde sich hoffentlich niemand mehr daran erinnern, dass ich überhaupt hier gewesen war. Ich musste daran glauben. Ich musste.
Ich lief in meinem Schlafzimmer auf und ab und hob unbekannte Gegenstände auf. Ich brauchte ein bisschen Platz, wo ich nicht dauernd über irgendwas stolperte, und außerdem hatte ich die heutigen Folgen von Friends und der Quizshow Have I Got News for You bereits vor einem Monat gesehen und wollte mich nicht durch eventuelle übersinnliche Fähigkeiten verraten. Und an Entspannung war sowieso nicht zu denken. Ich meine, wenn ich daran dachte, noch mal sechzehn zu sein, dann dachte ich an langes Ausgehen und Spaß haben, und nicht an Nachsitzen und Freitagabende zu Hause, wo ich mir alte Folgen von Have I Got News for You anschaute und mit anhören musste, wie meine Eltern sich gegenseitig zerfleischten. Was ich rückblickend ziemlich oft gemacht hatte. Ehe Clelland gekommen war und ... nein, darüber wollte ich gar nicht erst nachdenken. Nicht nur, dass das viel zu lange her war, es war auch in einer ganz anderen Welt gewesen.
Außerdem hätte ich beim besten Willen nicht stillsitzen können. Ich war hibbelig und hatte Hummeln im Hintern, und die Stimmung zwischen meiner Mum und meinem Dad war so frostig, dass sie nicht mehr miteinander redeten. Am liebsten wäre ich einfach aus dem Haus gelaufen und hätte ein paar Freunde besucht und so getan, als sei überhaupt nichts passiert, aber diesen Blick in den Augen meiner Mutter wollte ich nicht noch mal sehen. Ich saß also in der Falle wie ein gefangenes Tier. Ich blickte mich in meinem blau tapezierten Schlafzimmer um.
Eigentlich hätte ich angenommen, ich sei viel zu alt für Gareth-Gates-CDs, aber das stimmte ganz offensichtlich nicht. Na ja, ich war schließlich das uncoolste Mädchen der ganzen Schule, was wohl so einiges erklärte. Ich hatte ein paar alte Alben der Steps und sehr viel von No Doubt, die ich ganz offensichtlich heiß und innig liebte. Gut. Ich steckte eine in den erbärmlichen, schrottigen rosaroten CD-Spieler, den ich wohl mal geschenkt bekommen hatte. Außerdem waren da massenweise Leute, von denen ich noch nie was gehört hatte. Was mir ziemlich peinlich war. Ich dachte, ich sei ein bisschen mehr auf dem Laufenden, was aktuelle Musik anging, aber ich hatte nicht die geringste Ahnung, wer Jay-Z war oder wie diese siebzehn abgerissenen, arbeitsscheu wirkenden Jungs auf dem Poster an meiner Wand hießen. Gelangweilt blätterte ich mehrere Ausgaben von Smash Hits durch und überlegte angestrengt, ob mir nicht wieder einfiel, wer in nächster Zeit eine Nummer eins landen würde, dann hätte ich nämlich darauf wetten können. Ich wanderte rüber zu meinem echt grauenhaften, nachgemachten weißen Louis-XIV-Schreibtisch mit dem gerahmten Tigerbild darüber - ich liebte Tiger. Ich machte die Schubladen auf, eine nach der anderen: Zeitschriften, Lippenstiftpröbchen und schier endlose Stapel völlig sinnfrei wirkender Hausaufgaben kamen zum Vorschein. Dann kam ich an eine, die abgeschlossen war. Oho, eine abgeschlossene Schublade.
Absurderweise fühlte ich mich richtig mies und wie eine heimtückische Schnüfflerin. Ich spionierte in der Privatsphäre eines Teenies herum - in ihrem Allerheiligsten. Sie wäre absolut entsetzt und gedemütigt,
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