Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einmal Hochzeit und zurück

Einmal Hochzeit und zurück

Titel: Einmal Hochzeit und zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Colgan
Vom Netzwerk:
Hormone«, sagte ich mir. »Bloß die Teenagerhormone. Mit so was musst du dich nicht abgeben. Das hast du gar nicht nötig.«
    Trotzdem schniefte ich auf der Toilette still und heimlich ein bisschen in mich hinein.
    Ich war beinahe erleichtert, als ich zum Nachsitzen ins Klassenzimmer schlüpfte. Da saßen nämlich nicht lauter Leute aus meiner Klasse, die haarklein wussten, was in der Pause passiert war, und den ganzen Nachmittag getuschelt und mit dem Finger auf mich gezeigt hatten. Beim ersten Mal war es mir unbegreiflich gewesen, dass die Lehrer angeblich nichts von den brodelnden Konflikten und zermürbenden Kleinkriegen in ihren Klassenzimmern mitbekamen. Als Erwachsene hatten für mich auch alle Teenager gleich ausgesehen. Bis man mit ihnen auf gleicher Augenhöhe ist.
    Ich setzte mich auf denselben Platz wie letztes Mal und fing an, mir etwas über das Thema des heutigen Tages aus den Fingern zu saugen: 500 Wörter unter der Überschrift »Warum Nachsitzen wirkt«. Justin kam zu spät, und ich warf ihm nur einen flüchtigen Blick zu. Okay, ich geb‘s zu, ich habe mit voller Absicht nicht aufgeschaut, als er hereinkam.
    Ich wollte nicht, dass er sich für mich interessierte, und noch weniger wollte ich von ihm bemitleidet werden. Das würde mich zu sehr an einen anderen jungen Mann erinnern, der zwar netter gewesen war als Ethan, dem die Gedichte aber vermutlich auch nicht besser gefallen hatten.
    »Hey«, sagte er.
    »Hey«, erwiderte ich und kritzelte aufgebracht weiter. »Nachsitzen kann nur im Vergleich mit der Methode, Kinderhaut wiederholt mit Weidenruten zu traktieren, als überlegen betrachtet werden.«
    Er zuckte die Achseln. »Tut mir Leid wegen ... du weißt schon, wegen heute.«
    »Mal ehrlich«, sagte ich, »was macht das schon, global betrachtet?«
    »Gute Einstellung«, erwiderte er. »Ich weiß, dass unter euch Mädchen manchmal ganz schön raue Sitten herrschen.«
    »Das gibt sich später«, erklärte ich. »Angeblich.«
    »Echt? Hm.«
    Ich beugte den Kopf wieder über mein Blatt und schrieb: »Außerdem kommt Nachsitzen auch im Vergleich zu Auspeitschen und stetigem, wiederholtem Fertigmachen ziemlich gut weg.« Ich fragte mich, ob Mr. Rolf mir das durchgehen lassen würde. Vermutlich nicht. Ich muss schon sagen, in einer Welt, in der man mit Bleistift schreibt, war zumindest gelegentlich mal ein kleines Späßchen drin. Ich radierte es weg.
    »Weißt du, wegen Ethan solltest du dir keinen Kopf machen.«
    Ich blickte wieder auf.
    »Wie meinst du das?«
    »Na ja ... du weißt schon, er hat eigentlich nie eine Freundin.«
    »Justin, der Kerl ist stockschwul.«
    »Miss Scurrison! Ruhe bitte.«
    Justins Gesichtsausdruck war wirklich sehenswert. Ich hatte ganz vergessen, wie gedankenlos bigott und homophob Jungs in diesem Alter sind. Ihnen kommt alles total bekloppt vor, und Homosexualität erscheint ihnen zum Totlachen komisch und beängstigend zugleich. Sie taten mir fast Leid: Mit Penissen, die beim geringsten Anlass aufmucken, sei der nun weiblich oder männlich, kriegten sie Panik bei dem Gedanken, irgendwie aufzufallen. Gott, der arme Ethan. Vermutlich war ihm das Teenagersein noch verhasster als mir. Am liebsten hätte ich ihm gesagt, er solle sich keine Sorgen machen, weil er als Erwachsener sehr beliebt sein würde.
    »Ist er nicht«, flüsterte Justin empört. »Er hat bloß keine Freundin.«
    »Weil er die Männerwelt vorzieht«, dozierte ich im Tonfall einer Nachrichtensprecherin.
    »Bloß weil er nicht auf dich steht, ist er also eine Schwuchtel?«
    »Nun, teilweise ja, ganz klar. Nur abgemildert durch die unübersehbare Tatsache, dass er schwul ist. Du solltest deinem Freund nicht so in den Rücken fallen.«
    Er starrte mich an, während ich schrieb: »Nachsitzen ist außerdem der Opferung von Teenagern an Inka-Gottheiten vorzuziehen, wie sie seinerzeit einmal in Südamerika gang und gäbe war.«
    Er starrte mich immer noch an. Ich streckte ihm die Zunge raus.
    »Du«, wisperte er schließlich, »bist überhaupt nicht so, wie ich gedacht hatte.«
    »Erstaunlich«, entgegnete ich. »Person entpuppt sich nicht als bemitleidenswertes Opfer. Schockierend.«
    Er lächelte.
    »Clelland! Scurrison! Wollen Sie tatsächlich noch einen Tag länger bleiben?«
    »Klar«, erwiderte Justin. Und dann zwinkerte er mir zu. Und zum ersten Mal seit meiner Ankunft war ich hochzufrieden.
    Als wir aus dem Schulgebäude kamen, schlenderte Justin etwas unsicher herüber, um neben mir herzugehen. Es wurde

Weitere Kostenlose Bücher