Einmal ist keinmal
versprühte Freundlichkeit und Charme, und als zusätzlichen Anreiz drückte ich ihm auch noch meine Brust gegen den fleischigen Arm. Nachdem ich ihn auf die Beifahrerseite bugsiert hatte, machte ich ihm die Tür auf. »Ich bin Ihnen wirklich dankbar«, sagte ich.
Plötzlich wurde er bockig. »Und ich muß mir wirklich bloß einen neuen Gerichtstermin geben lassen?«
»Ja, genau.« Und dann so lange in der Zelle hocken, bis der Tag gekommen war. Ich hatte kein Mitleid mit ihm. Er hätte jemanden umbringen können, als er besoffen am Steuer saß.
Ich brachte ihn dazu, einzusteigen, und legte ihm den Sicherheitsgurt an. Dann sprintete ich um den Wagen herum, sprang hinein und gab Gas. Wenn ich Pech hatte, ging dem Erbsengehirn womöglich doch noch ein Licht auf, und es dämmerte ihm, daß ich Kautionsdetektivin war. Was ich mit ihm anfangen sollte, wenn wir aufs Revier kamen, wußte ich im Moment selbst noch nicht. Immer schön der Reihe nach, sagte ich mir. Wenn er gewalttätig wird, kann ich ihn immer noch mit meinem Spray betäuben… vielleicht.
Meine Ängste erwiesen sich als unbegründet. Ich war noch keine Viertelmeile weit gekommen, als seine Augen glasig wurden und er einnickte, an die Tür gelehnt wie eine dicke, fette Nacktschnecke. Ich konnte nur beten, daß sich der alte Säufer nicht übergab, in die Hose machte oder sonstwie ekelhaft benahm.
Als ich ein paar Straßen weiter an einer Ampel anhalten mußte, warf ich noch einmal einen Blick auf ihn. Er schlief nach wie vor. So weit, so gut.
Plötzlich fiel mir ein mattblauer Econoline Lieferwagen auf der gegenüberliegenden Seite der Kreuzung auf. Er hatte drei Antennen. Eine ziemlich auffällige Ausrüstung für so eine alte Schrottkiste. Das Gesicht des Fahrers lag hinter getönten Scheiben im Schatten. Meine Nackenhaare sträubten sich. Die Ampel sprang um. Autos fuhren in die Kreuzung ein. Der Lieferwagen rollte vorbei, und mir klopfte das Herz im Hals, als ich hinter dem Lenkrad Joe Morelli erkannte, der mich mit offenem Mund anstaunte. Theoretisch hätte ich mich über dieses erneute Zusammentreffen freuen müssen, aber dafür war ich viel zu verwirrt. Ich war gut, wenn es darum ging, mir Morellis Festnahme auszumalen. Aber ob ich tatsächlich imstande war, die Sache durchzuziehen, war eine völlig andere Frage. Hinter mir hörte ich das Quietschen von Bremsen, und im Rückspiegel sah ich, daß der Lieferwagen mitten auf der Straße wendete.
Ich war daraufgefaßt gewesen, daß er mir folgte. Aber daß es so plötzlich passieren würde, hatte ich nicht erwartet. Die Türen des Jeeps waren verriegelt, aber vorsichtshalber drückte ich trotzdem noch einmal das Knöpfchen runter. Das Sure Guard lag in meinem Schoß. Das Polizeirevier war keine Meile mehr entfernt. Ich überlegte, ob ich Clarence einen Tritt verpassen und mir statt dessen Morelli vorknöpfen sollte. Schließlich war Morelli derjenige, auf den ich es im Grunde abgesehen hatte.
Ich ging rasch ein paar Festnahmemethoden durch, aber keine erschien mir praktikabel. Morelli sollte mich nicht erwischen, solange ich noch mit Clarence beschäftigt war. Und ich wollte Morelli nicht auf der Straße mit meinem K.-o.-Gas außer Gefecht setzen. Jedenfalls nicht hier. Die Gegend war mir einfach nicht geheuer.
Morelli war fünf Wagen hinter mir, als ich schon wieder an einer roten Ampel halten mußte. Die Fahrertür des Lieferwagens flog auf, Morelli sprang heraus und rannte auf mich zu. Ich packte die Spraydose und betete, daß es grün werden würde. Morelli hatte mich fast erreicht, als alle Wagen anfuhren und er gezwungen war, wieder zum Lieferwagen zurückzulaufen.
Der gute alte Clarence schlief immer noch tief und fest. Der Kopf hing ihm auf die Brust, sein Mund stand offen, er sabberte und schnaufte leise. Als ich in die North Clinton Stree einbog, zirpte das Telefon.
Es war Morelli, und er klang nicht gerade glücklich. »Bist du verrückt geworden? Was soll das?« brüllte er.
»Ich bringe Mr. Sampson auf die Polizeiwache. Du bist herzlich eingeladen mitzukommen. Das würde mir die Arbeit sehr erleichtern.«
Eine ziemlich mutige Antwort, wenn man bedachte, daß ich panische Angst hatte.
»Du FÄHRST MEINEN WAGEN!«
»Mmm. Ich habe ihn beschlagnahmt.«
»Du hast WAS?«
Ich schaltete das Telefon aus, bevor die Unterhaltung in Morddrohungen ausarten konnte. Zwei Straßen vor dem Revier verschwand der Lieferwagen aus dem Rückspiegel. Mein Flüchtling schlief noch immer wie ein
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