Einmal ist keinmal
Groucho-Marx-Schnurrbart und einer Brille mit angesetzter Plastiknase im Supermarkt herumdrückte? Wo wohnte er überhaupt? Vielleicht hauste er in dem blauen Lieferwagen. Ich war eigentlich davon ausgegangen, daß er den bereits abgestoßen hatte, nachdem ich ihn nun kannte, aber möglicherweise hatte ich mich auch getäuscht. Vielleicht war der Wagen einfach zu praktisch für ihn. Vielleicht war er seine Kommandozentrale und sein geheimes Konservendosenlager. Außerdem war es möglich, daß er mit einer Abhöreinrichtung ausgestattet war. Schließlich hatte Morelli Ramirez von der anderen Straßenseite aus beobachtet. Wieso sollte er ihn nicht auch belauscht haben?
In der Stark Street hatte ich den Lieferwagen nicht bemerkt. Zwar hatte ich nicht direkt nach ihm Ausschau gehalten, aber übersehen hätte ich ihn trotzdem nicht. Ich wußte nicht viel über elektronische Überwachung, aber immerhin war sogar mir klar, daß sich der Überwacher ziemlich nah beim Überwachten aufhalten mußte. Das war ein paar Überlegungen wert. Vielleicht würde ich Morelli finden, wenn ich nach dem Lieferwagen suchte.
Während ich den Jeep in der hintersten Ecke des Parkplatzes abstellte, ärgerte ich mich insgeheim ein wenig über behinderte Senioren, die immer die besten Parkplätze mit Beschlag belegten. Ich nahm drei Plastiktüten in jede Hand und klemmte mir einen Sechserpack Bier unter den linken Arm. Die Tür des Cherokee drückte ich mit dem Knie zu. Meine Arme wurden lang und länger. Die schweren Tüten schlugen mir beim Gehen gegen die Beine, und ich mußte an einen alten Witz denken, bei dem es um Elefantenhoden ging.
Als ich mit dem Aufzug nach oben gefahren war, stolperte ich die paar Schritte bis zu meiner Wohnungstür und stellte die Taschen ab, während ich den Schlüssel aus der Tasche kramte. Icn machte auf, knipste das Licht an, schleppte die Einkäufe in die Küche und ging wieder zurück in die Diele, um die Tür abzuschließen. Dann packte ich die Tüten aus und trennte Schrankzeug von Kühlschrankzeug. Es war ein schönes Gefühl, wieder einen kleinen Lebensmittelvorrat zu haben. Das Horten lag mir im Blut. Die Hausfrauen in meinem Heimatviertel sind stets auf Katastrophen vorbereitet, sie horten Klopapier und Maispüree in Dosen, für den Fall, daß irgendwann einmal wieder ein Blizzard wie der von Anno dunnemals über sie hereinbrechen sollte.
Sogar Rex ließ sich von meiner Betriebsamkeit anstecken. Die kleinen rosa Hamsterfüßchen gegen die Glasscheibe seines Käfigs gestemmt, sah er mir zu.
»Jetzt kommen wieder bessere Zeiten, Rex«, sagte ich und gab ihm ein Apfelstückchen. »Von nun an gibt es nur noch Äpfel und Brokkoli.«
Ich hatte mir im Supermarkt einen Stadtplan besorgt, den ich vor mir auf dem Tisch ausbreitete, während ich in meinem Essen stocherte. Morgen würde ich systematisch nach dem blauen Lieferwagen suchen. Ich würde die Gegend um das Boxstudio durchkämmen und anschließend Ramirez’ Wohngegend abklappern. Ich holte mir das Telefonbuch und schlug unter Ramirez nach. Es gab dreiundzwanzig Einträge, davon waren drei Teilnehmer nur mit der Initiale B gekennzeichnet. Außerdem gab es zwei Benitos. Ich wählte die Nummer des ersten Benito, und nach dem vierten Läuten meldete sich eine Frau. Im Hintergrund hörte ich ein Baby schreien.
»Wohnt dort Benito Ramirez, der Boxer?« fragte ich.
Die Antwort kam auf spanisch, und sie klang nicht gerade freundlich. Ich entschuldigte mich für die Störung und legte auf. Der zweite Benito kam selbst ans Telefon, aber er war eindeutig nicht der Ramirez, nach dem ich suchte. Bei den drei Bs kam ich auch nicht weiter. Ich beschloß, mir die restlichen achtzehn Nummern zu schenken. Irgendwie war ich sogar erleichtert, daß ich ihn nicht gefunden hatte. Ich wußte nicht, was ich zu ihm gesagt hätte. Ich wollte eine Adresse, kein Gespräch. Außerdem muß ich zugeben, daß ich allein bei dem Gedanken an Ramirez eine Gänsehaut bekam. Ich konnte das Boxstudio beobachten und Ramirez folgen, wenn er ging. Leider war der große rote Cherokee nicht unbedingt ein unauffälliges Gefährt. Vielleicht konnte Eddie mir helfen. Die Cops hatten ihre eigenen Methoden, Adressen rauszukriegen. Wen kannte ich sonst noch, der Zugang zu Adressen hatte? Marilyn Truro arbeitete bei der Zulassungsstelle. Wenn ich Ramirez’ Autokennzeichen wüßte, könnte sie mir vielleicht seine Anschrift besorgen. Ich konnte mich natürlich auch im Boxstudio danach erkundigen.
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