Einmal ist keinmal
reinklettern, um sie wieder rauszuholen.«
»Ich verstehe nicht, warum dir immer solche Sachen passieren. So etwas passiert keinem anderen Menschen. Oder kennst du jemanden, dem schon mal die Schlüssel in einen Müllcontainer gefallen sind? Nein. Den gibt es nicht. So etwas kannst nur du fertigbringen.«
Grandma Mazur kam aus der Küche. »Ich rieche Kotze.«
»Das ist Stephanie«, sagte meine Mutter. »Sie war in einem Müllcontainer.«
»Was wollte sie denn da drin? Hat sie nach einer Leiche gesucht? Letztens kam ein Film im Fernsehen, da haben Gangster einem Typen das Gehirn rausgepustet und ihn dann in einen Müllcontainer geschmissen, als Fressen für die Ratten.«
»Sie hat ihre Schlüssel gesucht«, sagte meine Mutter zu Grandma Mazur. »Es war ein Unfall.«
»Ach, wie schade«, sagte Grandma Mazur. »Ich hatte mehr von ihr erwartet.«
Als wir mit dem Essen fertig waren, rief ich Eddie Gazarra an, packte die zweite Ladung Wäsche in die Maschine und spritzte meine Schuhe und den Schlüsselbund mit dem Gartenschlauch ab. Ich sprühte den Jeep mit Lysol aus und ließ die Scheiben bis zum Anschlag herunter. Mit offenen Fenstern funktionierte die Alarmanlage zwar nicht, aber ich nahm nicht an, daß man mir den Wagen vor dem Haus meiner Eltern klauen würde. Ich duschte und zog mir frische Sachen an, die gerade aus dem Trockner kamen.
John Kuzacks Tod war mir unheimlich, und weil ich keine Lust hatte, im Dunkeln nach Hause zu kommen, verabschiedete ich mich möglichst schnell wieder. Ich hatte eben die Wohnungstür hinter mir abgeschlossen, als das Telefon klingelte. Die Stimme war gedämpft, so daß ich kaum etwas verstehen konnte.
Angst ist kein logisches Gefühl. Niemand kann dir über das Telefon etwas antun, aber ich zuckte trotzdem zusammen, als ich erkannte, daß es Ramirez war.
Ich legte sofort auf, und als das Telefon wieder anfing zu läuten, zog ich den Stecker raus. Ich brauchte dringend einen Anrufbeantworter, aber ich konnte mir nur dann einen leisten, wenn ich schnellstens einen Kautionsflüchtling dingfest machte.
*
Am nächsten Morgen mußte ich mich als allererstes auf die Jagd nach Lonnie Dodd begeben.
Als ich aufwachte, trommelte der Regen rhythmisch auf meine Feuerleiter. Wunderbar. Genau das hatte mir gefehlt, um mein Leben noch komplizierter zu machen. Ich kroch aus dem Bett und zog den Vorhang auf, genervt von der Aussicht auf einen total verregneten Tag. Auf dem naß glänzenden Parkplatz spiegelten sich geheimnisvolle Lichtreflexe. Ansonsten war die Welt bleigrau. Eine geschlossene Wolkendecke hing tief über der Stadt, und die Gebäude hatten im Regen alle Farben verloren.
Ich duschte und zog Jeans und T-Shirt an. Die Haare konnten von selbst trocknen. Wozu sollte ich mich groß aufstylen, wenn ich sowieso klitschnaß werden würde, sobald ich einen Fuß vor die Tür setzte? Ich frühstückte, putzte mir die Zähne und zog mir schön breite, türkisblaue Lidstriche, um mich etwas aufzuheitern. Wegen des Regens schlüpfte ich in meine Müllcontainerschuhe. Ich sah nach unten und schnupperte. Zwar glaubte ich, einen Hauch gekochten Schinkens zu riechen, aber alles in allem konnte ich mich nicht beklagen.
Ich überprüfte meine Tasche und vergewisserte mich, ob ich die ganze Ausrüstung beisammen hatte – Handschellen, Schlagstock und Taschenlampe, Revolver und Munition, wobei mir die beiden zuletzt genannten Sachen allerdings nicht viel nützen würden, weil ich längst wieder vergessen hatte, wie man die Knarre lud. Aber man wußte schließlich nie, wann man vielleicht mal ein schweres Objekt brauchen würde, um nach einem flüchtenden Straftäter zu werfen. Außerdem packte ich Dodds Akte, einen Knirps und als Notration eine Packung Erdnußbutterkekse ein. Dann schnappte ich mir meine ultracoole schwarz-lila Goretex-Jacke, die ich mir gekauft hatte, als ich noch zur privilegierten Klasse der Berufstätigen gehörte, und machte mich auf den Weg zum Parkplatz.
Es war der ideale Tag, um sich mit einem guten Comic unter der Bettdecke zu verkriechen und aus einem Cremekuchen die Füllung herauszupulen. Es war kein Tag, um Desperados zu jagen. Leider war ich in Geldnöten und konnte mir die für die Desperadojagd geeigneten Tage nicht aussuchen.
Lonnie Dodd wohnte in 2115, Barnes Street. Ich nahm den Stadtplan und suchte die Koordinaten. Hamilton Township ist ungefähr dreimal so groß wie das eigentliche Trenton, und es sieht so aus wie ein angeknabbertes Stück
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