Einmal ist keinmal
einen Stoß gegen die Brust versetzte und ich rückwärts von der kleinen Betonstufe kippte. Ich landete mit dem Hintern im Schlamm.
»Verzieh dich«, sagte er. »Oder ich knall’ dich mit deiner eigenen Knarre ab.«
Die Tür fiel ins Schloß, und der Riegel wurde vorgeschoben. Ich stand auf und wischte mir die Hände an der Jacke ab. Ich konnte es einfach nicht fassen, daß ich mir widerstandlos die Tasche hatte abnehmen lassen. Was hatte ich mir eigentlich gedacht?
Ich hatte an Clarence Sampson gedacht und nicht an Lonnie Dodd. Lonnie Dood war kein fetter Säufer. Ich hätte wesentlich vorsichtiger mit ihm umgehen müssen und ihn nicht so nah an mich heranlassen dürfen. Und das Spray hätte ich in der Hand haben sollen, nicht in der Tasche.
Was die Kopfgeldjägerei anging, hatte ich noch viel zu lernen. Ich hatte nicht die richtigen Tricks auf Lager, aber was noch entscheidender war, mir fehlte auch die richtige Einstellung. Ranger hatte versucht, mir das klarzumachen, aber es war nicht viel davon hängengeblieben. Sei stets auf der Hut, hatte er gesagt. Wenn du im Einsatz bist, mußt du ständig auf alles achten. Wenn du dich auch nur eine Sekunde ablenken läßt, kannst du tot sein. Wenn du hinter einem Kautionsflüchtling her bist, mußt du immer auf das Schlimmste gefaßt sein.
Damals waren mir seine Ratschläge übertrieben dramatisch vorgekommen. Im nachhinein sah ich ein, daß er recht gehabt hatte.
Kochend vor Wut, stapfte ich zum Jeep zurück. Ich fluchte auf mich, auf Dodd und auf E. E. Martin. Aber auch Ramirez und Morelli bekamen ihr Fett weg. Zum Schluß trat ich gegen einen Reifen.
»Und wie weiter?« schrie ich in den Regen. »Was jetzt, du kleines Wunderkind?«
Eines stand fest. Ich würde erst weichen, wenn Lonnie Dodd in Handschellen auf meinem Rücksitz lag. Aber dazu brauchte ich Hilfe, und mir blieben nur zwei Möglichkeiten. Entweder die Polizei oder Ranger. Wenn ich die Polizei rief, kriegte ich unter Umständen tatsächlich Ärger wegen der Knarre. Es kam also nur Ranger in Frage.
Ich machte die Augen zu. Ich wollte Ranger nicht anrufen. Ich hatte diese Sache im Alleingang erledigen wollen, weil ich allen zeigen wollte, wie tüchtig ich war.
»Hochmut kommt vor dem Fall«, sagte ich. Ich wußte zwar nicht genau, was das eigentlich bedeutete, aber es erschien mir irgendwie passend.
Ich atmete einmal tief durch, zog den schlammigen, triefnassen Regenmantel aus, rutschte hinter das Lenkrad und rief Ranger an.
»Yo«, sagte er.
»Ich habe ein Problem.«
»Bist du nackt?«
»Nein, ich bin nicht nackt.«
»Schade.«
»Ich habe einen Kautionsflüchtling in seinem Haus gestellt, aber ich schaffe es nicht, ihn dingfest zu machen.«
»Was heißt, du schaffst es nicht? Kannst du dich vielleicht ein bißchen klarer ausdrücken?«
»Er hat mir meine Tasche abgenommen und mich rausgeschmissen.«
Pause. »Es ist dir vermutlich nicht gelungen, wenigstens die Waffe zu behalten?«
»Richtig. Aber immerhin war sie nicht geladen.«
»Hast du Munition in der Tasche?«
»Könnte schon sein, daß ein paar Patronen in der Tasche herumkullern.«
»Wo bist du jetzt?«
»Vor seinem Haus, im Jeep.«
»Und du möchtest, daß ich komme und deinen Flüchtling überrede, sich zu benehmen?«
»Genau.«
»Du hast wirklich Glück, daß ich auf diese My-Fair-Lady-Kacke stehe. Wo wohnt der Typ?«
Ich gab ihm die Adresse und legte auf. Ich ärgerte mich über mich selbst. Erst hatte ich meinen Flüchtling bewaffnet, und jetzt erwartete ich von Ranger, daß er die Kastanien für mich aus dem Feuer holte. Es wurde höchste Zeit, daß ich in meinem Job fit wurde. Ich wollte lernen, die verdammte Knarre zu laden, und ich wollte lernen, damit zu schießen. Vielleicht würde ich mich nie überwinden können, auf Joe Morelli zu schießen, aber ich war mir ziemlich sicher, daß ich bei Lonnie Dodd solche Skrupel nicht gehabt hätte.
Während ich auf Ranger wartete, ließ ich die Uhr am Armaturenbrett nicht aus den Augen, so versessen war ich darauf, die Angelegenheit endlich zu Ende zu bringen. Es vergingen zehn Minuten, bis der Mercedes am Ende der Straße auftauchte. Schnittig und gespenstisch glitt er durch den Regen, und die Tropfen wagten es nicht, sich auf seinem Lack festzusetzen.
Wir stiegen gleichzeitig aus. Ranger trug eine schwarze Baseballmütze, enge schwarze Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Er schnallte sich sein schwarzes Nylonholster um, die Waffe wurde mit einem Streifen Klettverschluß
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