Einmal ist keinmal
zu Hause war.
Ich steckte die Akten wieder in die Tasche und räumte die Wäsche aus der Maschine in den Trockner. Ich sah durch die große Schaufensterscheibe nach draußen, als plötzlich der blaue Lieferwagen vorbeirollte. Ich war so überrascht, daß ich zur Salzsäule erstarrte – Mund offen, Augen glasig, Kopf leer. Nicht gerade die beste aller denkbaren Reaktionen. Der Lieferwagen fuhr weiter, aber dann sah ich, wie ein Stückchen weiter seine Bremslichter aufleuchteten. Morelli steckte im Verkehr fest.
Jetzt bewegte ich mich endlich. Ich glaube fast, ich flog, denn ich kann mich nicht mehr erinnern, daß meine Füße das Gehsteinpflaster berührt hätten. Mit quietschenden Reifen raste ich vom Parkplatz. Ich kam bis zur nächsten Ecke, dann ging die Alarmanlage los. In meiner Eile hatte ich vergessen, den Code einzugeben.
Das Geheul war so laut, daß ich kaum denken konnte. Der Schlüssel hing an meinem Schlüsselring, und der Schlüsselring hing an dem Schlüssel, der im Zündschloß steckte. Ich trat auf die Bremse und kam mitten auf der Straße schlingernd zum Stehen. Erst jetzt warf ich einen Blick in den Rückspiegel und war erleichtert, daß hinter mir keine Autos zu sehen waren. Ich schaltete die Alarmanlage aus und fuhr weiter.
Morelli war ein paar Wagen vor mir. Als er nach rechts abbog, packte ich das Lenkrad fester. Ich kam nur schleichend voran und erfand blumige Flüche, während ich mich langsam auf die Kreuzung zuarbeitete. Als ich endlich auch abbiegen konnte, war er verschwunden. Ich wollte die Suche schon einstellen, als ich den Lieferwagen hinter Mannis Feinkostladen entdeckte.
Ich stoppte in der Einfahrt und starrte den Wagen erst einmal ausgiebig an, weil ich nicht wußte, was ich als nächstes tun sollte. Ich hatte keine Ahnung, ob Morelli hinter dem Lenkrad saß. Vielleicht hatte er sich auch hinten aufs Ohr gelegt, oder er war in Mannis Laden und bestellte sich ein Thunfischsandwich zum Mitnehmen. Vielleicht sollte ich erst einmal parken und die Lage sondieren. Wenn er nicht im Wagen war, konnte ich mich verstecken und ihn mit meinem Spray betäuben, sobald ich ihn nah genug vor der Düse hatte.
Ich parkte vier Autos von dem Lieferwagen entfernt und stellte den Motor ab. Ich wollte gerade nach meiner Tasche greifen, als die Fahrertür aufgerissen wurde und ich hinter dem Lenkrad nach draußen gezerrt wurde. Ich stolperte ein paar Schritte und knallte gegen Morellis stabilen Brustkorb.
»Suchst du mich?« fragte er.
»Gib lieber gleich auf«, sagte ich. »Mich wirst du nie wieder los.«
Er bekam einen harten Zug um den Mund. »Laß hören. Soll ich mich auf den Boden legen, damit du mich ein paarmal mit meinem eigenen Wagen überrollen kannst, wie in der guten alten Zeit? Wäre das nach deinem Geschmack? Mußt du mich tot oder lebendig abliefern?«
»Deshalb brauchst du dich doch nicht so zu ärgern. Ich habe einen Job zu erledigen. Es ist nichts Persönliches.«
»Nichts Persönliches? Du hast meine Mutter belästigt, meinen Wagen geklaut, und du erzählst überall herum, ich hätte dir ein Kind angehängt! Ich finde es ziemlich persönlich, jemanden zu, schwängern. Herrgott, reicht es nicht, daß ich wegen Mordes gesucht werde? Wer bist du eigentlich, die Kopfgeldjägerin aus der Hölle?«
»Reg dich nicht auf.«
»Ich rege mich längst nicht mehr auf. Ich gebe mich geschlagen. Jeder Mensch hat sein Kreuz zu tragen, und du bist meines. Du hast gewonnen. Behalte den Wagen. Er interessiert mich nicht mehr. Ich bitte dich bloß, mir nicht allzu viele Beulen in die Tür zu schlagen und einen Ölwechsel zu machen, wenn das rote Lämpchen angeht.« Er sah in das Innere des Cherokee. »Du telefonierst doch hoffentlich nicht?«
»Nein. Natürlich nicht.«
»Telefongespräche sind teuer.«
»Keine Angst.«
»Scheiße«, sagte er. »Mein Leben ist Scheiße.«
»Das geht wieder vorbei.«
Sein Blick wurde etwas sanfter. »Schick siehst du aus.« Er hakte einen Finger in den weiten Ausschnitt meines T-Shirts und riskierte einen Blick auf den schwarzen Sport-BH. »Sehr sexy.«
Ich bekam ein warmes Kribbeln im Bauch. Ich versuchte mir einzureden, es wäre Wut, aber vermutlich handelte es sich eher um so etwas wie erotische Panik. Ich gab ihm einen Klaps. »Nimm die Hand weg.«
»Na ja, schließlich habe ich dich doch geschwängert, weißt du nicht mehr? Da dürfte dir eine weitere kleine Intimität eigentlich nichts ausmachen.« Er kam näher. »Der Lippenstift gefällt mir
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