Einmal ist keinmal
Kuchen.
Weil der Himmel unterwegs ein wenig aufgeklart hatte, war es möglich, im Fahren die Hausnummern zu lesen. Je näher ich der Nummer 2115 kam, desto deprimierter wurde, ich. Der Wert der Immobilien sank mit erschreckender Geschwindigkeit. Was früher eine solide Arbeitersiedlung mit adretten kleinen Einfamilienhäusern und annehmbaren Grundstücken gewesen war, war mit der Zeit ziemlich heruntergekommen und beherbergte nun Leute mit Mindest- beziehungsweise gar keinem Einkommen.
2115 lag am Ende der Straße. Ein verrostetes Motorrad und eine Waschmaschine mit offenem Deckel zierten den verwilderten Vorgarten. Das Haus selbst war ein kleiner Bungalow aus Betonbausteinen, der auf einer Fundamentplatte stand. Es glich eher einem Hühner- oder Schweinestall. Vor dem großen Fenster, das zur Straße hinausging, hing ein Bettlaken. Wahrscheinlich sollte damit die Privatsphäre der Bewohner gewahrt werden, während sie Bierbüchsen an der bloßen Stirn zerquetschten und mutwillige Sachbeschädigungen ausheckten.
Okay, sagte ich mir. Jetzt oder nie. Der Regen trommelte auf das Dach und lief die Windschutzscheibe hinunter. Um mir Mut zu machen, zog ich mir die Lippen nach. Leider ließ die Wirkung etwas zu wünschen übrig, also zog ich auch noch die Lidstriche nach und tuschte mir die Wimpern. Ich begutachtete mich im Rückspiegel. Wonder Woman wäre vor Neid gelb geworden, keine Frage. Ich prägte mir noch ein letztes Mal Dodds Bild ein. Schließlich wollte ich nicht den Falschen überwältigen. Dann verstaute ich die Schlüssel in der Tasche, klappte die Kapuze hoch und stieg aus. Während ich an die Tür klopfte, hoffte ich insgeheim, daß niemand zu Hause war. Der Regen, die Gegend und die häßliche kleine Bruchbude waren mir unheimlich. Wenn auch beim zweiten Klopfen keiner aufmachte, wollte ich es einfach als Gottes Wille verstehen, daß es mir nicht bestimmt war, Dodd zu fassen, und mich so schnell wie möglich wieder verdrücken.
Zwar machte mir auch beim zweiten Klopfen niemand auf, aber ich hörte eine Toilette rauschen und wußte, daß jemand da war. Mist. Ich hämmerte ein paarmal kräftig mit der Faust gegen die Tür. »Aufmachen«, rief ich aus vollem Hals. »Der Pizzaservice.«
Ein magerer Typ mit verfilzten, schulterlangen Haaren kam an die Tür. Er war eine Handbreit größer als ich und trug weder Schuhe noch Hemd, sondern lediglich eine verdreckte, auf Halbmast hängende Jeans, an der der Knopf ganz und der Reißverschluß halb offen war. Hinter ihm konnte ich ein mit Müll übersätes Wohnzimmer sehen. Die Luft, die mir entgegenschlug, roch stechend nach Katze.
»Ich habe keine Pizza bestellt«, sagte er.
»Sind Sie Lonnie Dodd?«
»Ja. Wieso kriege ich eine Pizza?«
»Das war nur eine Kriegslist, um Sie dazu zu bringen, die Tür zu öffnen.«
»Das war was?«
»Ich arbeite für Vinnie Plum, der Ihre Kaution gestellt hat. Sie haben Ihre Verhandlung verpaßt, und Mr. Plum würde gern einen neuen Termin mit Ihnen vereinbaren.«
»Da scheiß ich drauf. Ihr könnt mir alle mal den Buckel runterrutschen.«
Der Regen rann in Bächen von meiner Jacke, und meine Jeans und Schuhe sogen sich langsam voll. »Es würde nur ein paar Minuten dauern. Ich könnte Sie hinbringen.«
»Plum hat doch keinen Fahrdienst. Für Plum arbeiten nur zwei Sorten von Leuten – Weiber mit großen, spitzen Titten und versiffte Kopfgeldjäger. Nichts für ungut, und es ist auch schwer zu sagen bei dem Regenmantel, den Sie anhaben, aber Sie sehen mir nicht so aus, als ob Sie zu denen mit den großen, spitzen Titten gehören. Also müssen Sie wohl ein versiffter Kopfgeldjäger sein.«
Ohne Vorwarnung streckte er eine Hand in den Regen heraus, riß mir die Tasche von der Schulter und schleuderte sie hinter sich auf den beigen Wollteppich. Sie ging auf und der Revolver plumpste heraus.
»Sie können sich in diesem Staat ziemlichen Ärger einhandeln, wenn man Sie mit einer Knarre in der Tasche erwischt«, sagte er.
Ich kniff die Augen zusammen. »Wollen Sie nun kooperieren oder nicht?«
»Was denken Sie?«
»Ich denke, wenn Sie clever sind, ziehen Sie sich ein Hemd und Schuhe an und kommen mit mir in die Stadt.«
»So clever bin ich denn doch nicht.«
»Schön. Dann geben Sie mir meine Sachen, und ich verschwinde. Nichts lieber als das.« Wahrere Worte waren nie gesprochen worden.
»Ich gebe dir gar nichts. Die Sachen gehören jetzt mir.«
Ich überlegte noch, ob ich ihm in die Eier treten sollte, als er mir
Weitere Kostenlose Bücher