Einmal ist keinmal
Er beherrschte sich nur mühsam und sah so aus, als stünde er kurz vor einem Schlaganfall.
»Ich wollte doch nicht, daß jemand deinen Wagen stiehlt«, sagte ich. »Also habe ich eine Alarmanlage einbauen lassen.«
»Du wolltest nicht irgendwen abschrecken, du wolltest mich abschrecken. Du hast eine Alarmanlage in meinen Wagen einbauen lassen, damit ich ihn dir nicht unterm Hintern wegklauen kann.«
»Und es hat funktioniert. Was wolltest du eigentlich in unserem Wagen?«
»Es ist nicht unser Wagen. Es ist mein Wagen. Ich habe dir lediglich erlaubt, ihn zu fahren. Ich wollte Frühstück holen.«
»Warum hast du nicht den Lieferwagen genommen?«
»Weil ich mal wieder mit dem Jeep fahren wollte. Ich schwöre dir, wenn dieser Fall aufgeklärt ist, wandere ich nach Alaska aus. Es ist mir egal, was das kostet. Ich will nur so weit wie möglich weg von dir, denn wenn ich hierbleibe, erwürge ich dich, und dann bin ich wirklich wegen Mord dran.«
»Mein Gott, Morelli, du hörst dich an, als ob du unter PMS leidest. Du mußt alles ein bißchen lockerer sehen. Es ist doch bloß eine Alarmanlage. Du solltest mir dankbar sein. Ich habe sie von meinem eigenen Geld gekauft.«
»Scheiße auch, wie konnte ich nur Böses von dir denken?«
»Du hast in letzter Zeit viel durchgemacht.«
Es klopfte an der Tür, und wir zuckten zusammen.
Morelli war als erster am Spion. Er wich ein paar Schritte zurück und zog mich mit. »Es ist Morty Beyers«, flüsterte er.
Es klopfte noch einmal.
»Der kriegt dich nicht«, sagte ich. »Du gehörst mir, und ich habe keine Lust, dich zu teilen.«
Morelli schnitt eine Grimasse. »Ich bin unter dem Bett, falls du mich brauchst.«
Ich ging zur Tür und warf selbst einen Blick durch den Spion. Zwar kannte ich Morty Beyers nicht, aber dieser Mann sah tatsächlich so aus, als ob er gerade eine Blinddarmoperation hinter sich hätte. Er war Ende Dreißig, übergewichtig und aschgrau im Gesicht. Er stand vornübergebeugt und hielt sich den Bauch. Die dünnen, rotblonden Haare, die er sich über den halbkahlen Schädel gekämmt hatte, waren klitschnaß von Schweiß.
Ich machte ihm auf.
»Morty Beyers«, sagte er und gab mir die Hand. »Sie müssen Stephanie Plum sein.«
»Müßten Sie nicht noch im Krankenhaus liegen?«
»Bei einem kaputten Blinddarm setzen sie einen nach ein paar Stunden wieder raus. Ich arbeite wieder. Man hat mir gesagt, ich wäre so gut wie neu.«
Den Eindruck machte er ganz und gar nicht. Er sah eher so aus, als wäre er auf der Treppe einem Vampir begegnet. »Tut Ihnen der Bauch noch weh?«
»Nur, wenn ich mich aufrichte.«
»Was kann ich für Sie tun?«
»Vinny hat gesagt, Sie hätten meine Fälle übernommen. Aber wo ich jetzt wieder auf dem Damm bin, dachte ich mir…«
»Sie wollen Ihre Akten zurück.«
»Genau. Tut mir leid, daß es bei Ihnen nicht so ganz geklappt hat.«
»Na ja, ein totaler Reinfall war es auch nicht. Zwei habe ich immerhin erwischt.«
Er nickte. »Mit Morelli sind Sie nicht weitergekommen?«
»Keinen Schritt.«
»Ich weiß, daß das komisch klingt, aber ich könnte schwören, daß sein Wagen unten vor dem Haus steht.«
»Ich habe ihn geklaut. Ich dachte, ich könnte ihn fangen, wenn er sich den Wagen zurückholen will.«
»Sie haben ihn geklaut? Im Ernst? Mann, das ist spitze.« Er lehnte sich an die Wand und hielt sich den Bauch.
»Möchten Sie sich einen Augenblick hinsetzen? Soll ich Ihnen ein Glas Wasser bringen?«
»Nein, es geht schon. Die Arbeit ruft. Ich wollte bloß die Fotos und das übrige Zeug abholen.«
Ich brachte ihm schnell die Akten aus der Küche. »Bitte schön.«
»Super.« Er klemmte sich das Material unter den Arm. »Wollen Sie den Wagen noch behalten?«
»Ich weiß nicht genau.«
»Wenn Sie Morelli auf der Straße entdecken, würden Sie ihn dann kassieren?«
»Aber klar.«
Er lächelte. »Würde ich an Ihrer Stelle genauso machen. Ich würde auch nicht aufgeben, nur weil die Frist abgelaufen ist. Unter uns gesagt, Vinny zahlt die Prämie jedem, der ihm Morelli bringt. Also dann, ich muß los. Danke.«
»Passen Sie auf sich auf.«
»Mach’ ich. Ich nehme den Lift.«
Ich schloß die Tür, schob den Riegel vor und hängte die Sicherheitskette ein. Als ich mich umdrehte, stand Morelli in der Schlafzimmertür. »Meinst du, er hat gewußt, daß du hier bist?«
»Dann hätte ich längst seinen Revolver an der Schläfe. Du darfst Beyers nicht unterschätzen. Er ist nicht so dumm, wie er aussieht. Und er
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