Einmal ist keinmal
lackierte ich mir die Nägel passend zum Lippenstift und betrachtete mich im Spiegel.
Ich gab eine hervorragende Schlampe ab.
Es war elf Uhr. Noch ein bißchen früh, aber ich wollte die Bordsteinschwalbentour möglichst schnell hinter mich bringen, weil ich Lula besuchen wollte. Nach dem Krankenhaus wollte ich ein bißchen schießen üben, nach Hause fahren und daraufwarten, daß mein Telefon klingelte.
Ich parkte einen Block vom Boxstudio entfernt und spazierte los, die Tasche über der Schulter, die Hand um das Sure Guard gelegt. Weil sich der Sender unter dem engen Oberteil abzeichnete, hatte ich ihn in meinen Minislip geschoben. Geschieht dir ganz recht, Morelli.
Ich entdeckte seinen Lieferwagen fast genau gegenüber vom Boxstudio. Zwischen mir und ihm stand Jackie. Sie sah noch genervter aus als sonst.
»Wie geht es Lula?« fragte ich. »Warst du heute schon bei ihr?«
»Morgens ist keine Besuchszeit. Aber ich hab’ sowieso keine Zeit. Ich muß schließlich meine Brötchen verdienen.«
»Im Krankenhaus haben sie gesagt, daß ihr Zustand stabil ist.«
»Ja, sie ist nicht mehr auf der Intensivstation. Sie muß noch eine Weile drinbleiben, weil sie innere Blutungen hatte. Aber ich glaube, sie berappelt sich wieder.«
»Kann sie irgendwohin, wo sie sicher ist, wenn sie rauskommt?«
»Wenn Lula rauskommt, ist sie nirgendwo sicher. Außer, sie ist clever. Sie muß den Bullen sagen, daß irgendein weißer Schweinehund sie aufgeschlitzt hat.«
Ich sah zum Lieferwagen hinüber und konnte telepathisch Morellis enttäuschtes Kriurren spüren. »Jemand muß Ramirez das Handwerk legen.«
»Aber nicht Lula«, sagte Jackie. »Was für eine Zeugin würde sie denn schon abgeben? Meinst du etwa, die glauben einer Hure? Sie würden sagen, daß Lula bekommen hat, was sie verdient, und daß sie wahrscheinlich bloß von ihrem Alten zusammengeschlagen worden ist. Der hat sie dir dann hingehängt, um dir eins auszuwischen. Kann sogar sein, daß sie sagen, du wärst auch anschaffen gegangen und der Konkurrenz in die Quere gekommen, und es sollte eine Lektion für dich sein.«
»Hast du Ramirez heute schon gesehen? Ist er im Studio?«
»Weiß nicht. Diese Augen sehen keinen Ramirez. Für mich ist er der große Unsichtbare.«
Von Jackie hatte ich eigentlich nichts anderes erwartet. Wahrscheinlich hatte sie sogar recht damit, daß Lula im Zeugenstand keine gute Figur machen würde. Ramirez würde sich den besten Strafverteidiger nehmen; aber es war ohnehin nicht schwer, Lula in ein schlechtes Licht zu rücken.
Ich ging weiter und fragte herum. Hatte jemand Carmen Sanchez gesehen? Stimmte es, daß sie an dem Abend, als Ziggy Kulesza erschossen wurde, mit Benito Ramirez zusammen gesehen worden war?
Niemand hatte sie gesehen. Niemand wußte irgend etwas über sie und Ramirez.
Nachdem ich noch eine Stunde durch die Gegend gewandert war, hatte ich die Nase voll. Ich ging über die Straße, um Jimmy Alpha an meinem Kummer teilhaben zu lassen. Diesmal stürmte ich nicht einfach in sein Büro. Ich wartete, bis seine Sekretärin mich angemeldet hatte.
Er schien nicht überrascht zu sein. Wahrscheinlich hatte er mich aus dem Fenster beobachtet. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen. Zu viele schlaflose Nächte, zu viele Probleme, für die er keine Lösung wußte. Ich baute mich vor seinem Schreibtisch auf, und wir starrten uns eine geschlagene Minute lang an, ohne etwas zu sagen.
»Haben Sie von der Sache mit Lula gehört?« fragte ich schließlich.
Alpha nickte.
»Er hätte sie fast umgebracht, Jimmy. Er hat sie aufgeschlitzt, zusammengeschlagen und dann an meine Feuerleiter gefesselt. Anschließend hat er mich angerufen. Er wollte wissen, ob ich sein Geschenk bekommen habe, und mir sagen, daß ich mich auf eine noch schlimmere Behandlung gefaßt machen könne.«
Alpha nickte erneut. Aber diesmal sollte es »nein« heißen. »Ich habe mit ihm geredet«, sagte er. »Benito gibt zu, mit Lula zusammengewesen zu sein, und er streitet auch nicht ab, daß er sie möglicherweise ein bißchen zu hart angefaßt hat, aber mehr wäre nicht passiert. Er sagt, daß ihm jemand etwas anhängen will.«
»Ich habe am Telefon mit ihm gesprochen. Ich weiß, was ich gehört habe. Und ich habe alles auf Band.«
»Er schwört, daß er es nicht war.«
»Und Sie glauben ihm?«
»Ich weiß, daß er bei Frauen leicht ausrastet. Das ist seine harte Machotour. Er bildet sich immer ein, daß man ihn nicht respektiert. Aber ich kann mir nicht
Weitere Kostenlose Bücher