Einmal ist keinmal
vorstellen, daß er eine Frau an eine Feuerleiter fesselt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß er Sie angerufen haben soll. Natürlich ist er kein Einstein, aber so dumm ist er nun auch wieder nicht.«
»Es geht nicht darum, ob er dumm ist, Jimmy. Er ist krank. Er hat schreckliche Sachen gemacht.«
Alpha fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Ich weiß nicht. Vielleicht haben Sie recht. Bitte, tun Sie mir und sich einen Gefallen, kommen Sie in der nächsten Zeit nicht in die Stark Street. Die Polizei wird schon herausfinden, was mit Lula passiert ist. Und mit dem Ergebnis werde ich leben müssen, egal, wie es ausfällt. Aber in der Zwischenzeit muß ich Benito auf den Kampf vorbereiten. Er tritt in drei Wochen gegen Tommy Clark an. Clark ist kein gefährlicher Gegner, aber man muß so einen Kampf trotzdem ernst nehmen. Die Fans bezahlen schließlich Eintritt, sie wollen einen anständigen Fight sehen. Wenn Benito Sie entdeckt, regt er sich womöglich wieder auf. Es ist auch so schon schwer genug, ihn zum Trainieren zu bringen.«
In Alphas Büro herrschten vielleicht zehn Grad, aber der Mann hatte dunkle Flecken unter den Armen. An seiner Stelle wäre ich auch ins Schwitzen geraten. Er erlebte gerade, wie sich sein Traum in einen Alptraum verwandelte, und das wollte er einfach nicht wahrhaben.
Ich antwortete, daß ich einen Auftrag zu erledigen hätte und mich nicht von der Stark Street fernhalten könne. Damit verließ ich das Büro und ging die Treppe hinunter. Ich hockte mich auf die unterste Stufe und murmelte in Richtung Bauchnabel: »Verdammt. Das war vielleicht deprimierend.«
Auf der anderen Straßenseite hörte Morelli im Lieferwagen mit. Ich hatte keine Ahnung, was er dachte.
*
Um halb elf an diesem Abend klopfte Morelli an meine Tür. Er hatte einen Sechserpack Bier, eine Pizza und einen tragbaren Fernseher unter dem Arm. Die Handwerkerkluft hatte er nicht mehr an, er trug Jeans und ein marineblaues T-Shirt.
»Noch ein Tag in dem Wagen, und ich freue mich direkt auf den Knast«, sagte er.
»Ist die Pizza von Pino?«
»Was dachtest du denn?«
»Wie hast du das geschafft?«
»Pino liefert auch an Straftäter«, sagte er. »Wo ist dein Fernsehanschluß?«
»Im Wohnzimer.«
Er stellte Pizza und Bier auf den Boden, schloß das Gerät an und drückte auf die Fernbedienung. »Irgendwelche Anrufe?«
»Nichts.«
Er machte ein Bier auf. »Es ist noch früh. Ramirez läuft erst in der Nacht zu Hochform auf.«
»Ich habe mit Lula gesprochen. Sie wird nicht aussagen.«
»Wen wundert’s?«
Ich hockte mich auf den Boden neben den Pizzakarton. »Hast du das Gespräch mit Jimmy Alpha mitgehört?«
»Klar, Wort für Wort. Aber sag mal, was hattest du dir für Klamotten angezogen? Was sollte das darstellen?«
»Das war mein Nuttenkostüm. Ich wollte ein bißchen Dampf machen.«
»Mensch, wegen dir sind die Kerle von der Straße abgekommen. Und wo hattest du den Sender versteckt? Unter dem Oberteil war er jedenfalls nicht. Sonst hätte ich das Heftpflaster gesehen.«
»Ich habe ihn in den Slip gesteckt.«
»Wahnsinn«, sagte Morelli. »Wenn ich ihn zurückbekomme, lasse ich ihn mit Bronze überziehen.«
Ich machte mir auch ein Bier auf und nahm ein Stück Pizza. »Was hältst du von Alpha? Meinst du, man könnte ihn vielleicht dazu bringen, gegen Ramirez auszusagen?«
Morelli schaltete mit der Fernbedienung herum, fand ein Baseballspiel und sah ein paar Sekunden zu. »Kommt darauf an, wieviel er weiß. Er hat den Kopf in den Sand gesteckt, er will nichts Genaues wissen. Dorsey hat ihm nach dir einen Besuch abgestattet, und er hat noch weniger aus ihm rausgekriegt als du.«
»Du hörst Alphas Büro ab?«
»Nein. Das habe ich bei Pino aufgeschnappt.«
Es war nur noch ein Stück Pizza übrig. Wir hatten es beide ins Auge gefaßt.
»Das setzt sich sofort in Hüftspeck um«, sagte Morelli.
Er hatte recht, aber ich nahm es mir trotzdem.
Kurz nach eins setzte ich Morelli vor die Tür und ging ins Bett. Ich schlief durch, und am nächsten Morgen hatte ich keine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Ich wollte gerade die Kaffeemaschine anschmeißen, als unten auf dem Parkplatz die Alarmanlage des Jeeps losging. Ich schnappte die Schlüssel, rannte aus der Wohnung und raste die Treppe hinunter. Die Fahrertür stand offen, als ich den Jeep erreichte. Die Alarmanlage jaulte. Ich schaltete sie aus, machte sie wieder scharf, schloß den Wagen ab und ging zurück nach oben.
Morelli stand in der Küche.
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