Einmal ist keinmal
die leiseste Ahnung, wie ich ihn erreichen sollte. Er war im Norden der Stadt in der Stark Street, und ich fuhr in südlicher Richtung. Bestimmt hatte er ein Telefon in seinem Lieferwagen, aber erstens wußte ich die Nummer nicht, und zweitens hätte ich sowieso anhalten müssen, um mit ihm zu telefonieren.
In White Horse fuhr der Kühlwagen Richtung Route 206. Es herrschte ziemlich dichter Verkehr. Ich hielt mich zwei Autolängen hinter dem Laster. Es war nicht besonders schwierig, Louis zu verfolgen, ohne gesehen zu werden. Kurz nach der Ausfahrt zur Route 70 flammte mein Öllämpchen auf und ging nicht wieder aus. Deftig fluchend, hielt ich mit quietschenden Reifen auf dem Sandstreifen, kippte mit umwerfender Präzision zwei Dosen Öl nach, knallte die Motorhaube zu und raste weiter.
Mit Müh und Not brachte ich den Nova auf achtzig. Ich kümmerte mich weder um das Flattern der Vorderräder noch um die verdutzten Blicke der anderen Autofahrer, an denen ich in meinem klapprigen Pussimobil vorbeizog. Nach einigen endlosen Minuten hatte ich den Laster wieder eingeholt. Louis war einer der langsameren Fahrer auf der Straße, er hielt sich streng an eine Geschwindigkeitsübertretung von nur zehn Meilen. Mit einem Seufzer der Erleichterung reihte ich mich wieder auf der rechten Spur ein. Ich konnte nur hoffen, daß es nicht mehr weit war, denn ich hatte nur noch anderthalb Dosen Öl auf dem Rücksitz.
In Hammonton bog Louis auf eine Landstraße ab, die nach Osten führte. Hier herrschte nicht mehr ganz soviel Verkehr, und ich mußte mich weiter zurückfallen lassen. Rechts und links erstreckten sich weite Kornfelder und vereinzelte Wäldchen. Nach ungefähr fünfzehn Meilen wurde der Laster langsamer und schwenkte auf einen Schotterweg ein, der zu einem lagerhausartigen Gebäude aus Wellblech führte. Ein Schild verkündete, daß es sich um den Jachthafen Pachetco Inlet und um ein Tiefkühllager handelte. Hinter dem Gebäude sah ich Boote liegen, und hinter den Booten glitzerte die Sonne auf dem Wasser.
Ich ließ das Grundstück links liegen. Eine Viertelmeile weiter mußte ich wenden, denn die Straße endete am Mullica River in einer Sackgasse. Ich fuhr zurück und rollte langsam an dem Jachthafen vorbei. Der Kühlwagen stand vor dem Holzsteg, der zu den Bootsanlegeplätzen führte. Louis und Sal waren ausgestiegen. Sie lehnten an der hinteren Stoßstange und sahen ganz so aus, als ob sie auf jemanden oder etwas warteten. Außer ihnen war kein Mensch zu sehen. Es war ein kleiner Jachthafen, und es hatte den Anschein, als ob er auch im Sommer nur am Wochenende aus seinem Dornröschenschlaf erwachte.
Ein paar Meilen vorher waren wir an einer Tankstelle vorbeigekommen. Dort wollte ich mich auf die Lauer legen. Wenn Sal oder Louis den Hafen Verließen, um wieder in die Zivilisation zurückzukehren, mußten sie an mir vorbei, und dann konnte ich ihnen folgen. Außerdem gab es dort bestimmt ein Telefon, und ich konnte versuchen, Morelli zu erreichen.
Die Tankstelle, eine vorsintflutliche Anlage, bestand aus zwei altmodischen Zapfsäulen, die auf einer fleckigen Zementfläche standen. Auf einem Schild, das an einer Zapfsäule lehnte, wurden lebende Köder und billiges Benzin angepriesen. Der niedrige Schuppen, der dazugehörte, war mit braunen Schindeln verkleidet, die mit platt gedrückten Dosen und Sperrholzstückchen geflickt waren. Neben dem Eingang entdeckte ich ein Telefon.
Ich parkte halb versteckt hinter der Tankstelle. Es tat gut, sich mal wieder die Füße vertreten zu können. Ich rief bei mir zu Hause an, etwas Besseres fiel mir nicht ein. Das Telefon klingelte, der Anrufbeantworter meldete sich, und ich hörte zu, wie mir meine eigene Stimme mitteilte, daß ich nicht zu Hause war. »Ist sonst jemand zu Hause?« fragte ich. Keine Antwort. Ich gab die Nummer des Tankstellentelefons durch und hinterließ die Nachricht, daß ich für die nächste Zeit hier zu erreichen wäre.
Ich wollte gerade wieder in den Wagen steigen, als Ramirez’ Porsche vorbeibrauste. Das wurde ja immer merkwürdiger. Ein Stelldichein zwischen einem Metzger, einem Killer und einem Boxer am Pachetco Inlet Marina. Ich nahm nicht an, daß sie sich zum Fischen verabredet hatten. Wenn es nicht ausgerechnet Ramirez gewesen wäre, der zum Jachthafen unterwegs war, hätte ich mich vielleicht näher herangetraut, um zu spionieren. Statt dessen sagte ich mir, es wäre zu gefährlich, weil Ramirez womöglich den Nova erkannte. Aber das war nur
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