Einmal ist keinmal
die halbe Wahrheit. Ramirez hatte sein Ziel erreicht. Der Anblick seines Wagens reichte aus, mich in Panik zu versetzen. Ich hatte eine solche Angst, daß ich ernsthaft bezweifelte, ob ich einen weiteren Zusammenstoß heil überstehen würde.
Es dauerte nicht lange, und der Porsche rauschte wieder an mir vorbei, doch diesmal fuhr er in der anderen Richtung. Er hatte getönte Scheiben, so daß ich nicht hineinsehen konnte, aber da er bestenfalls zwei Menschen Platz bot, mußte mindestens noch ein Mann am Marina zurückgeblieben sein. Hoffentlich war es Louis. Ich rief noch einmal meinen Anrufbeantworter an. Diesmal fiel ich etwas dringender aus. »MELDE DICH!« sagte ich.
Es wurde schon fast dunkel, als das Telefon endlich klingelte.
»Wo bist du?« fragte Morelli.
»Am Meer. An einer Tankstelle kurz vor Atlantic City. Ich habe deinen Zeugen gefunden. Er heißt Louis.«
»Ist er bei dir?«
»Er ist ein Stück die Straße runter.« Ich schilderte Morelli die Ereignisse des Tages und erklärte ihm den Weg zum Jachthafen. Dann zog ich mir am Getränkeautomaten eine Cola, setzte mich wieder in den Wagen und wartete.
Es dämmerte bereits, als Morelli endlich mit dem Lieferwagen in die Tankstelle einbog. Seit dem Porsche hatte sich auf der Straße nichts mehr gerührt, und ich war sicher, daß der Kühlwagen nicht ungesehen an mir hätte vorbeikommen können. Ich hatte mir überlegt, daß Louis vielleicht auf einem Boot übernachten würde. Einen anderen Grund dafür, daß der Laster immer noch im Hafen stand, konnte ich mir nicht vorstellen.
»Ist unser Mann noch da?« fragte Morelli.
»Soweit ich weiß, ja.«
»Ist Ramirez noch einmal zurückgekommen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Dann sehe ich mich mal ein bißchen um. Du wartest hier.«
Da hatte er sich aber gehörig geschnitten. Ich hatte die Nase voll vom Warten. Außerdem traute ich Morelli immer noch nicht ganz über den Weg. Er hatte die unangenehme Angewohnheit, mir das Blaue vom Himmel herunter zu versprechen und sich dann klammheimlich aus meinem Leben zu verabschieden.
Ich folgte dem Lieferwagen bis zum Wasser und stellte mich mit dem Nova daneben. Der weiße Kühlwagen hatte sich nicht vom Fleck gerührt. Louis war nirgendwo zu sehen. Die Boote, die am Steg vertäut lagen, waren dunkel. Der Pachetco Inlet Marina war nicht gerade ein Hort der Betriebsamkeit.
Ich stieg aus und ging zu Morelli.
»Habe ich dir nicht gesagt, du sollst an der Tankstelle auf mich warten?« knurrte Morelli. »Wir veranstalten hier keine Parade.«
»Ich dachte mir, du brauchst vielleicht Hilfe.«
In der Dunkelheit sah er gefährlich und nicht sehr vertrauenerweckend aus. Als er lächelte, blitzten seine Zähne weiß im bärtig schwarzen Gesicht auf. »Lügnerin. Du hast doch bloß Angst um deine zehntausend Dollar.«
»Das auch.«
Wir starrten uns eine Zeitlang schweigend an, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.
Schließlich griff Morelli durch das offene Fenster in den Lieferwagen, nahm eine Jacke vom Fahrersitz, holte eine halbautomatische Waffe aus der Tasche und schob sie sich oben in die Jeans. »Dann wollen wir mal schauen, ob wir meinen Zeugen finden.«
Wir gingen zum Kühlwagen und warfen einen Blick ins Führerhaus. Es war leer und abgeschlossen. Andere Fahrzeuge waren nicht zu sehen.
Nicht weit von uns schlugen die Wellen plätschernd gegen das Holz, Boote zerrten ächzend an ihren Vertäuungen. Es waren vier Stege mit jeweils vierzehn Anlegeplätzen, auf jeder Seite sieben. Nicht alle Plätze waren belegt.
Wir schlichen uns einen Steg nach dem anderen entlang, lasen die Bootsnamen und versuchten, Hinweise darauf zu finden, ob jemand an Bord war. In der Mitte des dritten Stegs blieben wir vor einem großen Hatteras Convertible stehen und sagten flüsternd den Namen des Bootes: »Sal’s Gal.«
Morelli ging leise an Bord, ich folgte mit einigem Abstand. Das Deck war übersät mit den Teilen einer Anglerausrüstung, Netzen mit langen Stielen und Landungshaken. An der Tür zur Kabine hing ein Vorhängeschloß, das uns verriet, daß Louis vermutlich nicht hier war. Morelli holte eine kleine Taschenlampe heraus und leuchtete hinein. Das Boot schien für ernsthafte Arbeit ausgebaut worden zu sein, denn an den Seiten der Kabine zogen sich nur praktische Bänke hin, luxuriöse Einrichtungsgegenstände fehlten. In der kleinen Kombüse türmten sich zerquetschte Bierdosen und benutzte Pappteller. Im Licht der Taschenlampe glitzerten die Reste eines
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