Einmal Paradies und zurück
Tim, als der Wein eintrifft. »Das Schlimmste ist, dass ich die Kinder nur so selten sehen kann.«
»Ja. Das tut bestimmt weh. Ich kann mir das ja gar nicht vorstellen«, sagt Fiona, rutscht auf dem Stuhl nach vorn, und ich wünsche mir, dass sie seine Hand nimmt. Natürlich nur ganz kameradschaftlich.
»Und wie geht es bei dir?«, erkundigt er sich höflich. Anscheinend möchte er das Trennungsthema so schnell wie möglich beenden.
Fiona macht, was alle bei einem Date machen: Sie lügt beherzt und behauptet, dass ihr Leben zu etwa achtzig Prozent super ist.
»Bist du in einer Beziehung?«, fragt Tim ganz locker.
Nein, keineswegs, nein, überhaupt nicht …
»Ach, weißt du, ich geh hin und wieder zu einem Date, aber nichts Besonderes«, antwortet sie leichthin.
Perfekt. Klingt, als wäre eine ganze Horde Männer hinter ihr her und sie könnte sich einen davon aussuchen.
»Alle Achtung«, sagt er und lächelt. »Ich bewundere jeden, der sich dem allem aussetzt – Dates, Clubs und Pubs … Aber hättest du nicht gern was Festes – ich meine, heiraten, eine Familie gründen und so?«
»Irgendwann vielleicht«, antwortet sie mit einem großartigen Mona-Lisa-Lächeln.
Ach, das könnte ja gar nicht besser laufen!
»Fiona, darf ich dich was fragen?«
»Na klar, alles, was du willst.«
»Hast du dein Leben jemals richtig ehrlich hinterfragt und dir überlegt, wie du dort gelandet bist, wo du jetzt stehst?«
»Wie meinst du das?«
»Ich meine … hast du dich jemals gefragt: ›Moment mal, sollte mein Leben nicht eigentlich ganz anders laufen?‹«
O ja, da geht es schon los, noch viel schneller, als ich gedacht hätte. Gleich wird Tim gestehen, dass es ein schrecklicher Fehler war, Ayesha geheiratet zu haben, wo er doch die ganze Zeit seine Seelenpartnerin direkt vor der Nase hatte. Ich sitze zwischen den beiden, das Kinn in die Hände gestützt, als würde ich im Fernsehen eine herrlich romantische Soap anschauen. »Erzähl weiter«, sagt Fiona, die Augen voller … ich weiß nicht genau, was. Vorahnung? Hoffnung?
Ja, los geht’s, spannt euer unsichtbares Publikum nicht länger auf die Folter!
Tim trinkt bedächtig einen Schluck Wein und starrt ins Leere, während er die richtigen Worte sucht. »Ich bin fast dreißig«, sagt er schließlich. »Und ich sollte eigentlich glücklich verheiratet sein und mit meiner wunderschönen Frau und zwei wunderbaren Töchtern in unserem Haus wohnen, in das wir eine Unmenge Geld gesteckt haben. Aber stattdessen hocke ich in einem Schuhschachtelapartment, mit einem Schlafzimmer, das so winzig ist, dass ich, wenn ich mich aufsetze, alle vier Wände berühren kann. Ich zahle Miete, die ich mir nicht leisten kann, und dazu noch die horrende Hypothek auf das Haus, in dem ich eigentlich wohnen sollte und in das Ayeshas Neuer einfach eingezogen ist, ohne die geringsten Skrupel. Hab ich dir überhaupt erzählt, dass sie einen Neuen hat? Und neulich hat Sorcha, meine jüngere Tochter – doch tatsächlich ›Dad‹ zu ihm gesagt. Das war ein Gefühl, als würde mir ein Dolch mitten ins Herz gestoßen. Ich könnte den Kerl umbringen, ehrlich. Ich meine das ganz ernst, Fiona, und ich glaube, jede vernünftige Jury würde mich freisprechen.«
Okay, das war nicht unbedingt der Text, den ich mir erhofft habe, aber hey, die Nacht ist jung.
»Der Typ heißt Rick. Er nennt sich Golfcoach, aber soweit ich das beurteilen kann, besteht sein Job darin, dass er den lieben langen Tag auf meinem Sofa rumhängt, sich DVD s vom Ryder Cup anschaut und am Wochenende mit seinen Freunden auf den Golfplatz geht. So ein Wichser. Genau genommen halte ich ihn aus, denn er zahlt keinen müden Euro an den Rechnungen, die im Alltag anfallen. Ich meine, was muss man für ein Mensch sein, um so was zu machen? Einem anderen Mann die Frau wegnehmen und sich dann auch noch von ihm finanzieren lassen? Ich könnte ihn erwürgen. Ehrlich.«
»Das ist aber auch wirklich furchtbar«, sagt Fiona und nickt mitfühlend.
»Die Affäre lief schon über ein Jahr, als wir uns getrennt haben«, fährt Tim fort, und sein Gesicht ist kreideweiß und verbittert. »Aber bekannterweise ist der Ehemann ja immer der, der es als Letzter erfährt. Ich hab schon was geahnt, und weißt du, wie ich es schließlich offiziell erfahren habe?«
»Äh … nein.«
»Letzten Oktober hat Ayesha mir gesagt, sie ist über das lange Wochenende mit ihren Freundinnen im K-Club zu einem Junggesellinnenabschied eingeladen. Dagegen
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