Einmal Paradies und zurück
Bettkante setze. Was sie mir, wenn ich noch am Leben wäre, niemals durchgehen lassen würde.
Ich erinnere mich sogar noch genau an eine Situation, kurz nachdem Kate und Paul eingezogen waren. Kate hatte damals eine Phase, in der sie das Haus unbedingt jedem zeigen wollte. Nachbarn, Verwandten, Freunden, die sie seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatte – man brauchte nur ganz unschuldig an der Haustür vorbeizuschlendern und ungefähr in die Richtung des Hauses zu schauen, schon wurde man, wenn notwendig mit Gewalt, hineingeschleppt, um den Waterford-Kronleuchter/die IKEA -Küche/den Kaschmirteppich/die Küchenspüle von Villeroy & Boch zu bewundern. Übrigens wird in der Spüle das gesamte Geschirr erst mal abgewaschen, bevor es in die Spülmaschine darf.
In dieser Zeit wurden Mum und ich auch zu einer Inspektionstour eingeladen, und wir saßen ganz nervös in ihrem makellosen, schneeweißen Salon, voller Angst, dass wir irgendetwas beschmutzten, und lauschten gebannt dem Ticktack der Großmutteruhr – ein Hochzeitsgeschenk von Pauls Familie, allerdings eine Reproduktion –, während Kate in der Küche Teewasser aufsetzte. Schließlich konnte Mum nicht mehr länger an sich halten, und sie schleifte ihren georgianischen hochlehnigen Stuhl über den dicken Kaschmirteppich zum Erker, wo ich auf der Fensterbank saß, um nicht mit meinem Hintern einen Abdruck auf den mit cremefarbener Seide bezogenen Polstermöbeln zu hinterlassen.
»Also, wie gesagt, Liebes«, setzte sie das Gespräch fort, das wir auf dem Weg hierher im Auto begonnen hatten. »Nuala möchte, dass wir im Sommer zusammen nach Medjugorje fahren, nach dem Desaster in Lourdes letztes Jahr, wo sie für eine ellenlange Liste von Sachen gebetet hat, aber dann ist nichts davon erhört worden, nicht mal der eingewachsene Zehennagel ist besser geworden, und du weißt ja, wie weh so was tun kann …«
» MUM !«, kreischte Kate, die in diesem Moment mit dem Teetablett hereinkam. »Was machst du da, du kannst doch nicht die Möbel durch die Gegend schieben! Der Stuhl gehört da nicht hin! Wir haben schon vier Abdrücke auf dem guten neuen Teppich, wir wollen doch keine acht!«
»Ich kann’s kaum erwarten, bis sie und Paul Kinder kriegen«, brummte Mum später, auf dem Heimweg im Auto, mit finsterer Miene. »Hoffentlich fünf Jungs, einen nach dem anderen, wie die Orgelpfeifen, so richtig wilde Jungs, die sich nie freiwillig waschen und außerdem Rugby oder Fußball spielen und jeden Tag total verdreckt vom Training heimkommen. Da würde unsere Madame schnell zur Vernunft kommen. Abdrücke im Teppich!«
Ehrlich, es gibt Fälle, da lässt sich sogar Mum ein bisschen von Kate einschüchtern.
Aber jetzt sitzt Kate auf dem Bett, noch im Nachthemd, die roten Haare zu einem ordentlichen Knoten zurückgebunden, und ich starre sie an und frage mich, ob sie mit dieser Frisur schläft. Würde mich nicht überraschen, denn sonst könnte ja etwas in Unordnung geraten. Sie unterhält sich mit Perfect Paul, durch die Badezimmertür. Na ja, um genauer zu sein, ist es ein ziemlich heftiger Wortwechsel. Der Kern der Sache scheint zu sein, dass Paul ihr gerade gesagt hat, dass er die nächsten ein, zwei Tage nicht da ist, weil er zu seiner Familie nach Galway fährt, ungefähr dreieinhalb Stunden Fahrt entfernt. Eine dieser halb geschäftlichen, halb privaten Reisen: Er trifft sich mit ein paar Arbeitskontakten zum Essen, am nächsten Morgen hat er ein Meeting mit Banken und Anwälten, so dass es unsinnig wäre, zwischendurch den ganzen langen Weg nach Hause zu fahren, und so weiter und so fort. Paul ist übrigens Bauunternehmer, es wäre für ihn ein ganz normaler Arbeitstag. Er liebt seine Arbeit, er hat gern jede Menge um die Ohren, er genießt es, gut zu verdienen. Aber er protzt nie damit. Auffälliges Konsumverhalten ist überhaupt nicht sein Ding, das ist eher Kates Problem.
Paul gehört zu den Naturbegabungen. Er hat die Schule mit sechzehn abgebrochen und beim Bau erst als Maurer gejobbt, sich dann Stück für Stück hochgearbeitet, bis er Grundstücke kaufen und Kredite aufnehmen konnte, um die Häuser zu finanzieren, die er darauf bauen wollte. Er hat drei Brüder, die alle mit in das Unternehmen eingestiegen sind, und auf dem Höhepunkt des irischen Immobilienbooms haben sie so viel verdient, dass sie im Grunde ausgesorgt haben. Einer der Brüder ist Elektriker, einer Schreiner und der jüngste Installateur, und so sind sie eine Art Allroundfirma. »Wenn
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