Einmal Paradies und zurück
muss man sich dann wohl oder übel in Geduld fassen und ein interessiertes Gesicht aufsetzen. Was James vorhat, ist schwer zu erraten; bislang sitzt er wieder ganz entspannt da, schaut zu, wartet, lauscht und bleibt vor allem cool. Ehrlich, ich wäre nicht überrascht, wenn er gleich mit den Fingern schnippt und sich von dem Batman-Butler noch einen Kaffee bringen lässt. Arroganz, dein Name ist James Kane.
»… da sag ich zu denen: ›Erzählt mir mal, worum es in dem Film geht, Jungs‹«, fährt Sir William unterdessen fort. »›Es geht um Ballett‹, haben die mir erklärt. ›Ist nicht wirklich mein Ding‹, hab ich gesagt, ›ich hab nichts übrig für Mädchenfilme.‹ ›Lassen Sie uns fertig erzählen‹, meinten die. ›Die Hauptperson ist ein zwölfjähriger Junge, der unbedingt zum Ballett will.‹ ›Dann geht es also um einen schwulen Jugendlichen?‹, hab ich gefragt. ›Nein‹, haben die geantwortet, ›eigentlich nicht, aber sein Vater arbeitet in einem Kohlebergwerk.‹ ›Ballett und Bergarbeiter?‹, hab ich gemeint. ›Wie passt das denn zusammen?‹ ›Nicht nur das‹, haben die erklärt, ›die Geschichte spielt auch noch während des Bergarbeiterstreiks in den Achtzigern. England in der Thatcher-Ära.‹ Dann haben sie mir die ganze Geschichte von A bis Z erzählt und mich sozusagen auf die Reise dieses Knaben mitgenommen. Kein Wort davon war verlogen, mir liefen die Tränen über die Wangen, und wisst ihr auch, warum?«
»Äh … nein. Warum haben Sie geweint, Sir William?« Der gute Declan, immer so zuvorkommend. Seine Mummy hat ihn echt gut erzogen.
»Weil es mich hier getroffen hat«, verkündet Sir William und schlägt sich mit einer dramatischen Geste auf die Brust. »Mitten ins Herz. Ein Film über einen Jungen, der aus dem Nichts kommt und davon träumt, etwas aus sich zu machen in der Welt, also das ist eine Geschichte, mit der ich was anfangen kann. Und wollt ihr wissen, wie der Film heißt?«
»Ich nehme an, es handelt sich um
Billy Elliot
«, mischt James sich ein, aber Sir William lässt sich nicht den Wind aus den Segeln nehmen.
»Genau. Und wisst ihr, wie viel Geld ich damit gemacht habe? Hundertfünfzig Prozent meiner Investition hab ich eingefahren, hundertfünfzig Prozent. Weil ich meinem Instinkt vertraut habe. Dann geht auch noch Elton John hin und macht ein Musical draus, und ich streiche noch mal den gleichen Profit ein. Beim Filmfestival in Cannes war ich dann mit Elton auf seiner Yacht und hab zu ihm gesagt: ›Elton, alter Junge, das ganze viele Geld ist der Lohn dafür, dass ich auf meine innere Stimme gehört habe.‹ Und er hat mir recht gegeben. Sehr netter Kerl übrigens, dieser Elton, obwohl er schwul ist.«
»O ja, er ist wirklich klasse«, bestätigt James. »Ich hab ihn mal bei einer Premiere im Odeon am Leicester Square getroffen.«
Ach, verdammt, jetzt hab ich aber lange genug den Mund gehalten. »James Kane, wenn man Elton John vom anderen Ende eines überfüllten Kinosaals entdeckt und ihm zuwinkt, bedeutet das eigentlich nicht, dass man ihn getroffen hat.«
Ich kann kaum an mich halten, so urkomisch verändert sich James’ Gesicht, als er mich hört und dabei verzweifelt so tut, als würde er mich
nicht
hören. Einen Moment sieht er aus, als wäre er geradewegs in eine Kreissäge gelaufen. Geschieht ihm recht.
»Dann mal zurück zu eurem Projekt«, sagt Sir William gerade. »Ihr sagt also, ihr habt einen älteren Priester mit Alzheimer und einen jungen Priester, so eine Art Praktikant von der Uni. Der alte Priester quatscht und quatscht und quatscht …«
»Ganz genau«, ergreift Declan wieder das Wort. »Ihm ist allerdings gar nicht bewusst, dass er das Beichtgeheimnis bricht. Und seine Geschichten bilden den narrativen Spannungsbogen.«
»Bitte noch mal für Normalversteher, ja?«
»Äh … Entschuldigung. Nun, wir haben die Verfilmung als zehnteilige Drama-Serie geplant, und in jeder Folge erzählt unsere Hauptperson, also der ältere Priester, eine Geschichte, die ihm in der Beichte anvertraut wurde, ohne zu merken, was er da tut.« Er schaut zu James, der sofort einspringt.
»In jeder Episode geht es um ein Gebot, das gebrochen wird, aber die Folgen funktionieren auch als in sich geschlossene Einheiten. Ein Kurzdrama, wenn Sie so wollen.«
Dann folgt eine Rede, die ich nur als Lügengespinst bezeichnen kann: Soundso interessiert sich bereits für das Projekt, behauptet er und nennt den Namen eines bekannten internationalen
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