Einmal Paradies und zurück
zwei besonders fiese Dobermann-Exemplare aus dem Haus gerannt, offensichtlich in streitlustiger Stimmung.
»Ah, da sind ja meine Jungs«, sagt Sir William, wahrscheinlich froh über die Abwechslung, nimmt eine Handvoll seiner Löffelbiskuits und hält sie den Hunden entgegen. »Wo sind denn meine kleinen Kerlchen? Wer möchte denn ein Leckerli von mir?«
Schon sind die Bestien bei ihm, lecken ihm die Hand und verschlingen die Kekse.
»Herr des Himmels«, schreie ich. »James, mach, dass sie verschwinden!«
Vor lauter Angst bin ich auf einen Stuhl geklettert. Und natürlich können mich die Biester trotz meines Engelzustands riechen. Ehrlich, wenn es nicht so furchtbar wäre, würde ich es wahrscheinlich komisch finden. Ich auf einem Stuhl, aus Leibeskräften um Hilfe rufend, James, der dämlich vor und zurück schaukelt, sich die Schläfen massiert und schwitzt, zu meinen Füßen die beiden riesigen Hunde, die schnappen und knurren und genau wittern, dass ich da bin.
An die folgenden Ereignisse erinnere ich mich nur nebelhaft und in keiner eindeutigen Reihenfolge. Sir William versucht, die Bestien wegzulocken und versteht überhaupt nicht, warum sie die Luft anbellen. James kippt sich Wasser hinter die Binde, zittert und sieht aus, als gehöre er dringend auf die Intensivstation und nicht in den Garten einer Landvilla. Declan sammelt hektisch seine Akten und Ordner zusammen und erzählt Sir William, dass er und James noch eine Menge anderer Ideen haben. Ob sie irgendwann mal über die sprechen könnten? Später? Vielleicht? Falls Sir William dann noch Interesse habe? Bittebitte?
»Ja, ja, ja«, antwortet Sir William. »Wir treffen uns alle mal zum Essen«, sagt er, daran erinnere ich mich noch, aber er klingt absolut unverbindlich. Man muss schon ein ziemlicher Blödmann sein, um nicht zu verstehen, was er damit sagen will, nämlich: Essen für dich, Declan, mein Junge, und eine Computertomographie für deinen Kumpel.
Dann bin ich wieder im Auto, endlich in Sicherheit vor den Hunden. James sitzt neben mir und umklammert das Steuer wie einen Rettungsring. Er zittert immer noch, bemüht sich aber, ruhig zu atmen, einatmen, eins, zwei, ausatmen, eins, zwei, drei, vier.
»Bist du sicher, dass du zurechtkommst?«, fragt Declan durchs Beifahrerfenster. James nickt nur stumm. Nicht mal seinem Freund kann er antworten, so verstört ist er.
»Na ja, ich fahre hinter dir her, für den Fall des Falles«, erklärt Declan fürsorglich.
In diesem Moment piept sein Handy, und eine SMS kommt an.
»Oh, von Sir William«, stellt er fest und hält das Handy so, dass ich die Nachricht ganz bequem mitlesen kann, James aber nicht.
Sie lautet folgendermaßen:
HOFFE, IHR FREUND IST OKAY. WENN SIE WOLLEN, GEBE ICH IHNEN DIE ADRESSE DES BESTEN PSYCHOLOGEN, UND ICH SCHLAGE VOR, ER SOLL SO SCHNELL WIE MÖGLICH HINGEHEN.
SEIN VERHALTEN IST NICHT NORMAL.
Declan scrollt weiter, und meine Augen folgen dem Rest der Botschaft.
VIEL GLÜCK MIT IHREM PROJEKT. INTERESSANTE IDEE …
Und weiter runter zur Killerzeile.
ABER ERWARTEN SIE BITTE NICHT, DASS ICH SIE FINANZIERE.
Kapitel 12
Fiona
»Sarah Casey, würdest du bitte aufstehen und der Klasse verraten, was so komisch ist? Wenn es wirklich so amüsant ist, wollen die anderen sicher mitlachen.«
Im Unterricht ist Fiona sooooo einschüchternd. Ich habe James allein gelassen, damit er nach dem Fiasko von eben ein bisschen im eigenen Saft schmoren kann, und stehe jetzt im Klassenraum, ganz hinten. Und langweile mich furchtbar. Es ist stickig und heiß, und es riecht durchdringend nach einem Mischmasch aus billigem Parfüm, vergammelten Eiersandwiches und Kartoffelchips, was mich augenblicklich in meine eigene unglückliche Schulzeit zurückversetzt. Auf der Tafel steht das heutige Unterrichtsthema: »Wie erfolgreich konnten Stalin in Russland und/oder Mussolini in Italien den Persönlichkeitskult zu Propagandazwecken nutzen?«
»Sarah Casey, ich warte. Aber bitte, lass dir ruhig Zeit.«
Die arme Sarah, der Klassenclown, hat im Grunde etwas total Harmloses gemacht, nämlich unter der Bank die neueste Ausgabe von
Heat
gelesen und gerade den Fragebogen mit dem Titel »Wie lautet deine Sex-Zahl?« ausgefüllt. Nichts, was Fiona in Sarahs Alter nicht selbst getan hätte. Und sie hat sich auf dem College noch wesentlich schlimmere Dinge zuschulden kommen lassen, ist ständig wegen irgendwelcher Dummheiten aus der Vorlesung rausgeflogen und einmal sogar sturzbetrunken aufgetaucht. Da
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