Einmal Paradies und zurück
verstehen, dass er den Knopf an der Sprechanlage drücken soll, damit sie beide gleichzeitig reinkönnen. Das Meeting ist allem Anschein nach so wichtig, dass Declan heute sogar seine Rock-Daddy-Ausrüstung zu Hause gelassen hat und einen ganz normalen schicken Anzug trägt. James winkt ihm nur majestätisch zu, und mit seiner in die Haare hochgeschobenen Sonnenbrille sieht er aus wie ein osteuropäischer Zuhälter. Ich habe den Mund immer noch nicht aufgemacht, denn ich möchte mir einen richtig guten Zeitpunkt herauspicken.
Eine Minute später öffnet sich das Stahltor, und wir fahren einen endlos langen Kiesweg hinunter. Ehrlich, man kommt sich vor wie auf dem Gelände eines Country-Hotels, und ich sehe von fern sogar jemanden in einem Golf-Buggy herumkutschieren. Immer weiter geht die Fahrt, vorbei an sanft gewellten, makellos gepflegten Rasenflächen, und schließlich, nach einer gefühlten Dreiviertelstunde, halten wir vor einem Haus, das aussieht wie das Anwesen von Scarlett O’Hara in
Vom Winde verweht
. Auf dem Rasen stelzt sogar ein echter Pfau herum. Für meine Mutter, die furchtbar gern in anderer Leute Gärten herumschnüffelt, wäre dies ein wunderbarer Anlass, ihrem Hobby nachzugehen, vor allem weil nirgends ein Gartenzwerg oder eine Buchsbaumhecke in Sicht ist, ihre beiden persönlichen Lieblingsärgernisse.
Wir parken hinter Declan, steigen aus und gehen die Steinstufen zur imposantesten Tür diesseits des Himmelstors empor. Und ich weiß, wovon ich rede. Der arme Declan bricht unter der Last von Akten und Ordnern fast zusammen, und die Nervosität dringt ihm aus allen Poren. Während mein großmäuliger Exfreund es mal wieder schafft, ganz entspannt und cool zu wirken. Als wäre er ein Gast, der zu ein paar Runden Golf eingeladen ist und anschließend mit dem Hausherrn ein paar Drinks und ein gemütliches Dinner genießt. Nach einem diskreten Zeitintervall wird die Tür von einem Butler geöffnet, der aussieht wie Michael Caine in
Batman
. Er ist viel zu höflich und zu vornehm, um nach unseren Namen zu fragen, macht nur eine kleine Verbeugung und sagt: »Guten Morgen, Gentlemen, Sir William erwartet Sie bereits. Wenn Sie mir bitte folgen würden.«
Und schon sind wir wieder unterwegs, schreiten durch eine Halle mit Marmorfußboden, ungefähr so geräumig wie das Dubliner Naturkundemuseum, vollgehängt mit Gemälden, zweifellos alles alte Meister. Eines davon erkenne ich sogar aus dem Geschichtsbuch, das ich in der dritten Klasse hatte. Linker Hand scheint eine gigantische Bibliothek zu sein, und ich erwarte schon halb, dass wir hineingeführt und dort von Sir William empfangen werden, der in einem großen Ledersessel sitzt, eine weiße Perserkatze auf dem Schoß hat, aussieht wie der Bösewicht in einem Bond-Film und Dinge sagt wie: »Nur nicht so hastig, MrBond.«
Aber stattdessen folgen wir dem Butler durch eine zweiflüglige Terrassentür auf eine wunderschöne sonnenüberflutete Terrasse mit einem elegant plätschernden Brunnen, auf den man in Versailles sicher neidisch wäre. In der Ferne kann ich ein galoppierendes Pferd erkennen – sicher ein berühmtes Rennpferd, denn unser Gastgeber hat für solche Extravaganzen sicher genug Geld. Dann steht der mächtige Sir William endlich persönlich vor uns, im Morgenmantel, klein, rotgesichtig und ziemlich korpulent. Er schaut durch ein Fernglas in die Richtung, in der das Pferd jetzt für das bloße Auge nur noch ein Fleck am Horizont ist.
»Ah, da sind ja die Jungs«, ruft er, als er uns entdeckt, und schüttelt freundlich die Hände der beiden jungen Männer. Ein fester, knöchelknackender Händedruck. »Wie geht es euch denn, ich freu mich, euch zu sehen, ja, schöner Tag heute. Wenn ich geahnt hätte, dass ihr pünktlich kommt, hätte ich mich schon mal angezogen, haha.«
Okay, ich glaube, ich sollte mal wieder eine kurze Erklärung einfügen. Der Mann, der hier vor uns steht, hat seine Finger in jedem gewinnbringenden Projekt der irischen Geschäftswelt, obwohl er in ganz bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen ist. Sir William hat sein Leben als Billy Eames begonnen, der in jungen Jahren seiner Großmutter an deren Gemüsestand in der Moore Street geholfen und damit ungefähr sechzehn Geschwister unterstützt hat. Die Familie wohnte in einer ärmlichen Gegend in der Innenstadt, und die Kinder mussten zu siebt in einem Bett unter einem Berg Mäntel schlafen, um im Winter einigermaßen warm zu bleiben. Ach ja, und sich angeblich hinter
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