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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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sich auf Minna bezogen hatte. Ich erinnerte mich auch, daß Minna am Morgen mit ihr zu einer Halsuntersuchung gegangen war, und fast glaubte ich das „Huch, was ist mir da rausgerutscht!“ zu hören. Ich sah zu ihr hinüber, aber sie hatte die hellen Wimpern über die blaßblauen Augen gesenkt und tat, als schliefe sie. Ich wußte genau, daß ich nicht mehr geredet hatte als jede andere im Krankenhaus und sicher nicht ein Millionstel so viel wie Eileen, aber ich hatte Angst bekommen. Wenn ich nun nach Hause geschickt würde, weil ich gegen die Vorschriften verstoßen hatte? Ich, eine erwachsene Frau. Ob ich gegen die Anordnungen verstoßen hatte oder nicht, war unwichtig, wichtig war die stillschweigende Folgerung, daß ich nicht verständig genug gewesen sei, anzuerkennen, was für mich getan wurde.
    Eileen sagte: „Kommt mir höchst komisch vor, daß die Alte Dame nicht einmal zu der kleinen Eva hingesehen hat. Und genau so komisch, daß die kleine Eva erst heute morgen mit der Alten Dame zusammen war. Huch, was ist dir da rausgerutscht, du dreckiger kleiner Petzer!“ Minna hielt die Augen geschlossen, aber ihre Lider zuckten sichtlich. Kimi sagte mit hauchzarter Stimme: „In Japan ist es, glaub ich, üblich, einem Betrüger kochendes Öl über die Zunge und in die Kehle zu gießen.“ Minna drehte das Gesicht zur Wand.
    Als Charlie kam, um die Betten hochzustellen, erzählte ihm Eileen, was passiert war. Er meinte: „In jeder Station ist so eine. Warum die das machen, weiß ich nicht, vielleicht müssen sie immer stänkern.“ Als ich mich verteidigte: „Aber ich habe doch nichts Unrechtes getan,“ meinte er: „Ach, davon können Sie die Oberschwester nicht überzeugen, denn die findet, daß jeder im Unrecht ist, und freut sich einfach über jede Gelegenheit, allen das unter die Nase zu reiben. Recht oder Unrecht, Sie kriegen sicher einen Brief vom Chefarzt.“
    Mein herrliches Gefühl von Wohlbehagen war verflogen, und statt dessen ein solches Gefühl von Furcht und Niedergeschlagenheit hochgekommen, daß sich mir der Magen zusammenkrampfte und die Därme zu Knoten verschlangen. Als der Stationsarzt Visite machte und fragte, wie ich mich fühle, sagte ich ihm, daß mir wäre, als hätte ich einen Außenbordmotor verschluckt. Er lachte, knuffte mir in den Magen und verordnete ein Beruhigungsmittel. Die Oberschwester preßte die Lippen zusammen und schrieb es auf.
    Nach dem Pulsfühlen kam sie mit dem Rollstuhl zu mir, fuhr mich nach unten ins Untersuchungszimmer und sagte mir, im Krankenhaus sei kein Platz für undankbare Patienten, die sich den Vorschriften nicht fügten. Ich antwortete ihr, daß ich gegen keine Vorschrift verstoßen hätte. Sie entgegnete, die Patientin, die mich angezeigt hätte, hätte gesagt, daß sie abends nicht zur Ruhe käme, weil ich so viel Lärm machte; ich wiederum, daß das einfach lächerlich sei und sie nur die Nachtschwester zu fragen brauche. Sie kündigte mir an, daß sie die Angelegenheit mit dem Chefarzt durchsprechen würde, und ich sagte, daß ich nicht einsähe, was es durchzusprechen gäbe. Sie antwortete nicht, blähte nur die Nasenflügel und fuhr mich ins Bett zurück.
    Als Katy mein Beruhigungsmittel brachte, erzählte ich ihr den ganzen kindischen Vorfall. Sie meinte: „Etwas stimmt hier nicht, wissen Sie. Die Leute vergessen, wie wichtig die innere Ruhe für die Erholung ist. Na ja, das Schlimmste, was Ihnen passieren wird, ist, daß sie einen Brief vom Chefarzt kriegen; also trinken Sie dies hier und schlafen Sie gut.“ Als das Licht aus war und kurz bevor wir einschliefen, sagte Kimi: „Ich hab vergessen, euch zu erzählen, daß es bei den Indianern üblich war, einen Angeber am Erdboden festzupflocken, seine Augenhöhlen einzudrücken und ihm die Augäpfel wie Weintrauben auszupressen.“
    Am nächsten Tag bekam ich meinen Brief. Es war ein Zitat: „Angenommen, es wäre völlig gewiß, daß Leben und Glück eines jeden von uns eines guten Tages davon abhinge, ob er ein Schachspiel gewönne oder verlöre… Und doch ist es eine sehr elementare und einfache Wahrheit, daß Leben, Glück und Glückseligkeit eines jeden von uns und mehr oder weniger auch derjenigen, die uns nahestehen, davon abhängen, daß wir etwas wissen von den Regeln eines unendlich viel schwierigeren und komplizierteren Spiels als Schach. Es ist ein Spiel, das seit ungezählten Zeitaltern gespielt worden ist, wobei jeder Mann und jede Frau unter uns eine von den zwei Partnern bei

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