Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
Vom Netzwerk:
Behandlung bekämen, schon so weit seien, daß die Anstalt das Risiko nicht wage. Nach dieser ermunternden Bemerkung schloß sie die Augen und schlief ein.
    Als es an jenem Abend Schlafenszeit war, dachte sie allerdings anders darüber, wer zu den Glückspilzen zu rechnen sei, denn Charlie hatte ihr von spontanen Kollapsen erzählt. Laut Charlie war ein spontaner Kollaps fast immer tödlich und kam sehr häufig vor. Minna sagte: „Er hat mir erzählt, daß bei manchen Patienten die Lungen ganz volla Löcha sind, meine sicherlich auch, und wenn die Lunge mit einem Pneumothorax unter Druck gesetzt wird, fällt sie in sich zusammen wie ein alter Reifen, wenn er platzt. Charlie sacht, die Patienten hier sterben wie die Fliegen an diesen spontanen Kollapsen.“
    Ein Tuberkulose-Sanatorium ist voll von Klatsch und Tratsch, genau wie ein Pensionat. Im Fichtenhain drehten sich aber Klatsch und Tratsch nicht um erfreuliche Dinge wie Freundschaften mit Jungen und Feste, sondern immer um arme kleine Patienten, die vom Personal mißhandelt wurden. Aus reiner Gemeinheit preßten die Ärzte immer viel zu viel Luft in die Lungen der Patienten, so daß die einen Lungenkollaps bekamen; rissen ihnen nur zum Spaß sämtliche Rippen heraus, setzten sie aus Schikane auf Darmdiät, übersahen entscheidende Symptome, damit sie sie leiden sehen konnten, und gaben ihnen Medikamente, die nichts halfen.
    Wir hörten von armen alten Patienten, die so starken Nachtschweiß hatten, daß Pfützen um ihre Betten standen; und doch brachten ihnen die Schwestern nicht einmal frische Schlafanzüge oder Bettücher. Ließen sie einfach in ihrem eigenen Saft ersaufen. Von Patienten, die Pförtnerposten versehen mußten, während sie aus jeder Pore Blut spien. Wir hörten von Müttern und Töchtern, die im gleichen Krankenzimmer lagen, aber nicht miteinander sprechen durften, so daß sie an gebrochenem Herzen starben. Von zahnlosen Patienten, die nur zähes Steak zu essen bekamen.
    Die Gerüchte beruhten alle auf einem Körnchen Wahrheit, aber es war damit wie bei dem Flüsterspiel, das wir als Kinder gespielt hatten. Wir saßen dabei in einem Kreis, der erste flüsterte seinem Nebenmann etwas ins Ohr und dieser dann seinem Nebenmann, bis es in einem ganzen Kreis herum war. Der letzte sagte laut heraus, was ihm zugeflüstert worden war, und der erste, was er ursprünglich gesagt hatte. So machte etwa: „Maries Kleid ist niedlich“ die Runde und kam heraus als: „Harrys Leib ist picklig,“ oder: „Charlies Kopf ist grindig,“ oder: „Wally hat’n Kindchen.“
    Ich fragte Katy Morris nach einigen von diesen Gerüchten, und sie erzählte mir, daß der angeblich trotz Blutsturz zum Pförtnerdienst gezwungene Pförtner in Wirklichkeit ein sehr fauler Patient sei, der immer eine Ausrede hätte, damit er nicht unter Aufsicht zu arbeiten brauchte. Sein Blutsturz sei nur ein leichtes Nasenbluten gewesen und dadurch verursacht, daß er sich zu kräftig die Nase geputzt hätte. Bei der Mutter und Tochter, die angeblich getrennt wurden und an gebrochenem Herzen starben, handele es sich um eine sehr törichte Mutter und ihre schwerkranke Tochter. Als sie in einem Zimmer gewesen seien, hätte die Mutter unentwegt mit dem Mädchen gesprochen und ihr alle möglichen verbotenen Speisen zugesteckt. Als sie getrennt worden seien, hätten sie geschimpft und sich beklagt. Schließlich seien beide gestorben, an fortgeschrittener Tuberkulose und weil sie nicht selbst an ihrer Gesundung mitgearbeitet hätten. Katy erzählte, sie wisse nur von zwei Fällen von spontanem Kollaps, und beide Male seien die Patienten schon so krank gewesen, daß man das Letzte hätte versuchen müssen, um sie zu retten. Mit den chirurgischen Eingriffen verhielte es sich so, daß manche Patienten, bei denen noch keine Operation gemacht werden könne, nach einer jammerten, und andere, die weit genug dafür wären, sich gegen sie wehrten. Der einzige Grund, aus dem Patienten auf Darmdiät gesetzt würden, sei, daß sie Darm-Tb hätten, und jeder Dummkopf wüßte ja auch, daß es bequemer sei, allen zu gleicher Zeit das gleiche Essen zu geben.
    Sie kenne den alten Mann, der keinen einzigen Zahn mehr habe, er wäre ein alter Deibel, und abgesehen davon, daß er sein Gebiß nicht trüge, was er aus lauter Dickköpfigkeit ablehne, nähme er auch nichts von seinen Medikamenten, weil er seine Tb durch Fernunterricht heile. Er gehöre einer Art Neudenker-Gruppe an, und die schickten ihm seine

Weitere Kostenlose Bücher