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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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sei er kein Glied ihres Körpers. Kimis Badepartnerin war eine junge Japanerin, aber wenn sie glänzend und puterrot vom Baden zurückkam und wir sie nach ihr fragten, sagte Kimi nur: „Das ist ein charakterloses Mädchen,“ und weigerte sich, von ihr zu erzählen.
    Eileens Badepartnerin war das schwerkranke Mädchen, das zum und vom Badezimmer auf einem Bett gefahren werden mußte. Eileen hatte gesagt: „Jesus, Kinder, wer hätt’ sich gedacht, daß ich zum Baden ’ne Tante ziehe, die kurz vorm Abschrammen ist? - ,Wie geht’s denn‘ sag ich zu ihr. ,Uff‘ sagt sie und guckt an die Decke. ,Wie lang sind Sie hier?‘ frag ich, als ich mir das Gesicht in dem Eiswasser wasch, das das blöde Granitauge mir hingesetzt hat. ,Uff‘ sagt sie und macht die Augen zu. ,Ich wünsch Ihnen noch recht viele Uffs‘ sag ich. Ich hab nicht mal gehört, wie die Tante heißt.“
    „Das ist Mrs. Fox,“ sagte Kimi. „Sie ist sehr krank, aber man versucht hier, sie zu retten.
    „Wofür?“ fragte Eileen.
    „Wofür versuchen sie alle anderen zu retten ?“ wollte Kimi wissen. „Wir werden nie wieder gesund und kräftig sein.“ „Vielleicht sind wir nie mehr kräftig,“ sagte Eileen, aber wir schaffen’s doch, noch was andres zu sagen als ,uff‘. Die Tante gehört in ein Indianerreservat.“
    Ich fragte Kimi, woher sie ihre Weisheit hätte, daß wir nie wieder gesund und kräftig würden. Sie behauptete, andere Patienten hätten es ihr erzählt, die scheinbar geheilt aus dem Fichtenhain entlassen und noch im gleichen Jahr hoffnungslos krank zurückgekommen wären. Ich erkundigte mich bei Molly danach, und die erzählte uns, daß Patienten, die Rückfälle hätten und zurückkämen, gewöhnlich unvernünftige Leute seien, die sich den Pneumothorax nicht auffüllen ließen, sich nicht in der Klinik meldeten, bis spät in die Nacht aufblieben und sich ganz allgemein nicht in acht nähmen. Sie kenne Hunderte von ausgeheilten Tb-Fällen, die verheiratet seien, Kinder hätten, arbeiteten, ein ganz normales Leben führten und in einem sehr viel besseren Gesundheitszustand seien als die meisten Menschen, die nie Tb gehabt hätten und infolgedessen nicht wüßten, wie sie sich in acht zu nehmen hätten.
    Minna meinte: „Wenn ich jehmals hiär raußkomme, werd ich nie wiedär gesund sein, das weiß ich. Ich weiß nicht, warum ich sooh klein und schwach sein mußte – alle anderen in meinär Familie sind groß und kräftig.“ Eileen entgegnete: „Och, an jedem Apfelbaum ist immer ein kleiner, verschrumpelter, schlechter.“
    Am 19. Oktober wurden Kimi und ich verlegt. Gleich nach den Ruhestunden stand die Oberschwester plötzlich in voller Größe in unserem Zimmer, legte ohne jedes Wort meinen Stuhl auf das Fußende meines Bettes und rollte mich den Flur entlang in eine Zelle im Ostflügel des Gebäudes. Ich war froh, denn die letzte Woche war sehr langweilig gewesen, und jede Veränderung war mir willkommen. „Ach, ich freu mich, daß Sie mich heut verlegt haben,“ sagte ich der Oberschwester, worauf sie antwortete: „Ich muß Sie in die Nähe des Büros legen, wo ich Sie mehr unter Aufsicht haben kann.“ Sie fuhr fort: „Ich werde Miß Sambo zu Ihnen legen, wenn Ihnen das nichts ausmacht.“ Ausmacht! Ich war begeistert. Die Oberschwester sagte: „Manche Leute weigern sich, mit einer Orientalin in einem Zimmer zu liegen.“ Ich antwortete, daß es mir am liebsten sei, worauf sie Kimi holte.
    Unser neues kleines Zimmerchen war gerade groß genug für zwei Betten, die mit dem Kopfende ans Fenster und dicht an die Wände gestellt wurden, unsere Nachttische und die Stühle. Wenn wir uns nur ein bißchen ausstreckten, konnten wir uns Sachen zureichen. Die Wände waren auch hier weißlich-grün, aber der winzige Raum hatte nur wenig Wandfläche, denn vorn fiel der größte Teil durch die Tür fort, hinten alles durch die Fenster, und die Seitenwände begannen 30 Zentimeter über dem Fußboden und waren nur ungefähr 1,80 Meter hoch. Sie bestanden offenbar aus einer Art Sperrholz, denn ich konnte die Frau im nächsten Raum atmen hören.
    Es war merkwürdig, jemand so dicht neben sich zu haben. Wenn sie Wasser trank, schluckte ich. Wenn sie die Seiten einer Zeitschrift umblätterte, war es, als ob ich sie umschlüge. „Wie gemütlich das ist,“ dachte ich und deutete Kimi mit Gesten an, wie nah mir die Frau sei. Kimi antwortete mit Gesten, daß auch sie nur zwei Zentimeter entfernt eine unsichtbare, unbekannte Frau neben

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