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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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„Während Ihres ganzen Aufenthaltes müssen Sie durch Ihr Verhalten zeigen, daß Sie den Schwestern und den Ärzten dankbar sind“ (Lektion III). „Der nachlässige Patient ist gewissen- und charakterlos, er ist eine Gefahr und wertlos für die Gemeinschaft. Wenn er nicht lernen will, muß er nach Hause geschickt werden“ (Lektion IV). „Ein Patient, der nicht vorschriftsmäßig ruht, ist gewissenlos, und einem Patienten, der sich nicht gewissenhaft der Behandlung fügt, darf nicht gestattet werden, ein Bett zu belegen, das dringend für jemand gebraucht wird, der bisher keine Möglichkeit gehabt hat, sich zu bewähren“ (Lektion VII). „Der Patient, der sich den Anweisungen nicht willig fügt und den anderen nicht ein gutes Beispiel ist, belegt ein Bett, das wir sinnvoller für einen Menschen gebrauchen können, der es besser verdient“ (Lektion XI). „Streiten Sie nicht herum, und wenn Sie die Vorschriften nicht befolgen können, bleiben Sie nicht hier und lehnen sich dagegen auf, sondern gehen Sie nach Hause“ (Lektion XXI).
    Die Moral von Lektion V war: „Wenn Sie sich ein Bein gebrochen hätten, würden Sie mit dem weder tanzen noch herumgehen, sondern einen Gipsverband oder Schienen tragen, so daß sie es nicht gebrauchen könnten, selbst wenn sie so töricht wären, das zu versuchen. Wenn Sie an einem Gelenk oder Knöchel eine Wunde hätten, wüßten Sie, daß durch ständiges Beugen die Stelle aufreißen und eine baldige Heilung verhindert würde. Wenn Sie Tuberkulose haben, haben Sie gebrochene Lungen mit wunden Stellen, und je weniger Sie die Lungen benutzen, desto rascher werden sie heilen. Wie können Sie Ihre Lungen ruhen? Indem Sie weniger oft und weniger tief atmen. Ein Mensch, der ruhig im Bett liegt, atmet in jeder Minute zweimal weniger als jemand, der sitzt, und natürlich sehr viel weniger als jemand, der geht. Tiefes Atmen, schnelles Atmen und Aufregung veranlassen sowohl Lungen als auch Herz, rascher zu arbeiten und mehr Giftstoffe aus der tuberkulösen Wunde herauszuwaschen. Dadurch bekommen Sie das Gefühl von Ermüdung, den schnellen Puls, Fieber usw. Die Antwort heißt: Ruhe, Ruhe, Ruhe und nochmals Ruhe,“
    Die Lektion schloß: „Die Tuberkulosekur besteht nicht in einem Medikament, sondern in einer neuen Lebensregel, nicht nur während der Sanatoriumszeit, sondern noch Jahre und Jahre danach, vielleicht für ein ganzes Leben.“
    Kimi las ihre Lektion zu Ende, stieß sie ans Fußende ihres Bettes und sagte: „Wenn diese ,neue Lebensregel‘ für den Rest meines Lebens Kohl bedeutet, zieh ich den Tod vor.“ Kohl ist ein stark Vitamin C-haltiges Gemüse, in unserem feuchten, kalten Klima leicht zu bauen, im Winter erhältlich und ein sicheres Mittel, bei bettlägerigen Patienten Verstopfung hervorzurufen. Er wurde uns jeden Tag in irgendeiner Form vorgesetzt. Ich hatte nichts dagegen, weil ich Kohl gern aß und mich damit abgefunden hatte, die Verstopfung sowie das dauernde Frieren und den ständigen Hunger als Begleiterscheinungen der Tuberkulose hinzunehmen. Kimi jedoch haßte Kohl, war aber so überzeugt, daß man sie zum Sterben nach Hause schicken würde, wenn sie ihn unberührt auf ihrem Tablett liegen ließe, daß sie ihn jeden Tag mit Tränen in den Augen aufaß und jammerte: „Kohl ist schreckliche Medizin.“
    Andere schreckliche Medizinen waren für Kimi das wöchentliche Bad und das Kopfwaschen einmal im Monat. Wie alles andere im Fichtenhain, waren die Zeiten für Bäder und Haarwaschen so angesetzt, daß der Patient mit einer möglichst geringen Unterbrechung der Ruhe sauber gehalten werden konnte, denn selbst solche Kleinigkeiten wie ein Bett-Bad oder eine Kopfwäsche konnten bei einem kranken Patienten den Puls beschleunigen und die Temperatur erhöhen und taten es auch. „Aber ist denen denn nicht klar, daß auf Filz Bazillen gedeihen?“ fragte Kimi erbost, als sie ihre schmalen braunen Füße in ihre Waschschüssel tauchte.
    An Badetagen fing sie zeitig mit ihren Vorbereitungen an. Zuerst holte sie alles heraus, was sie dazu brauchte, steckte sich das Haar in einem festen Knoten auf dem Kopf zusammen, legte sich ein Handtuch um die Schultern und setzte sich dann mit gekreuzten Beinen aufs Bett und pedikürte ihre Zehennägel. Wie ein japanischer Ringer sah sie dabei aus. Sie schien überhaupt keine Knochen in den Beinen zu haben, denn sie konnte einen Fuß in die Hand nehmen, ihn herumdrehen und sich die Sohle begucken, mit einer solchen Leichtigkeit, als

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