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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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Nacht unter Aufsicht, damit sie auch bestimmt diese und viele andere Vorschriften einhielten; dazu gehöre: kein Umgang mit Männern, keine Gedanken an Männer, nichts zu unternehmen, was schließlich zu so etwas führen könne, keine Gespräche und keine Literatur über Liebe. Mit Ausnahme der Oberschwester sei es ihnen nicht erlaubt, mit den Ärzten zu sprechen, was die Sache ziemlich kompliziere, da sie mit einem der Anstaltsärzte verlobt sei. Sie meinte: „Wenn es nicht Larrys wegen wäre, bliebe ich keine zehn Minuten mehr in diesem Kloster.“
    Molly erzählte uns, nur reizlose Schwestern würden in die Männerstation geschickt, der Liebe wegen. Wir fragten sie, ob viele Schwestern Patienten heirateten, und sie bestätigte das. „Und kann es schließlich was Besseres geben? Ein kranker Mann und eine Schwester, die für den Rest seines Lebens nach ihm sieht.“ – „Sie meinen, daß die männlichen Patienten diese gräßlichen Schwestern heiraten?“ fragte Kimi entsetzt. „Sicher doch,“ antwortete Molly. „Wenn einer krank genug ist, findet er alle schön.“ – „Eh einer sich in Schmalzgesicht verliebt, muß er doch schon bewußtlos sein,“ sagte Eileen. „Oh, die hatte mal einen Freund,“ erzählte Molly. „Er hat auf der Röntgenstation gearbeitet, aber er ist gestorben, bevor sie heirateten.“ – „Sicherlich vergiftet,“ vermutete Eileen bitter. „Jesus, stellt euch vor, Tb zu haben und die noch dazu!“

NEUNTES KAPITEL
    Kimi

    Als ich fast drei Wochen im Fichtenhain war, merkte ich, daß es mit Minna, Eileen und mir zwar besser zu werden schien, Kami aber allmählich verfiel. Mit ihren runden, weichen Winterbirnen-Backen, dem dichten, glänzenden Haar und den klaren, strahlenden Augen sah sie zwar äußerlich gesund aus, und ihr Appetit war ausgezeichnet. Aber über eine Woche lang hatte sie jeden Morgen und jeden Abend, wenn die Oberschwester oder der Stationsarzt ihre Visite machten, über irgendeinen leichten Schmerz zu klagen.
    Manchmal tat es ihr im Gelenk ihres kleinen Fingers weh, manchmal hatte sie leichte Kopfschmerzen, „ein Prickeln im Bein“, „leichtes Bumsen im Herzen“. Aber immer irgend etwas. An diesem Morgen war es eine „kleine Steifheit im großen Zeh“ gewesen, und als die Oberschwester ihn befühlte, hatte Kimi mit Leidensmiene vor Schmerz die Augen geschlossen.
    Ich machte, mir Sorgen, denn ich hatte gruselige Sanatoriumsgeschichten von der immer bösartigen Miliartuberkulose gehört, die jeden Körperteil angreift. Zur Mittagszeit fragte ich alter Esel Charlie, ob er irgend etwas über Miliartuberkulose wisse. Vor lauter Vergnügen über die Schauernachrichten, die ihm schon auf der Zunge lagen, klapperte er mit seinem Gebiß und erzählte mir, wie er mal die Röntgenaufnahmen von der Lunge eines Patienten gesehen habe, der an Miliartuberkulose gestorben sei. „So voller Löcher warn die Lungen, daß sie wie’n Sieb aussahn,“ sagte er, „und der Röntgenfritze hat mir erzählt, daß bei dem armen Mädchen jeder Fleck im Körper von Bazillen durchlöchert war. Einfach durchlöchert!“ Während der Ruhestunden starrte ich auf die kalten grünen Wände und stellte mir vor, wie Kimis rundlicher brauner Körper von Bazillen durchlöchert war, ihre Lungen wie Siebe aussahen. Um die Abendbrotszeit war ich in solche Traurigkeit geraten, daß ich es nicht länger aushalten konnte. Mit einer von Zärtlichkeit und Sorge erfüllten Stimme fragte ich Kimi, ob sie glaube, daß ihre Tuberkulose plötzlich bösartig geworden sei und all die kleinen Extrawehs und -schmerzen verursache. Kimi steckte sich erst bedächtig einen großen Bissen Pudding in den Mund, bevor sie antwortete: „Aber nein, Betty, das ist nicht die Tuberkulose, das ist die Lektion. In jeder Lektion lese ich, daß die mein Bett hier dringend für jemand anders brauchen, darum sorge ich dafür, daß sie wissen, ich brauche es auch.“
    Die Lektionen über Tuberkulose waren lehr- und hilfreich. Sie erklärten uns, warum wir uns so fühlten, wie wir uns fühlten, was Tuberkulose sei, und worin die Kur bestünde, aber sie betonten auch aufreizend häufig, daß wir im Krankenhaus nur geduldet seien.
    „Wenn Sie diese Dinge nicht schaffen können, gehen Sie sofort nach Hause und machen Sie uns Ihren Platz für jemand anders frei, der nützlich ist“ (Lektion I). „Daher ist Ihre Verpflichtung um so größer, denn Sie belegen ein Bett, das dringend für jemand anders gebraucht wird“ (Lektion II).

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