Einmal scheint die Sonne wieder
hustet, und eine magere junge mit einem Schweigen! -Schild an ihrem Bett. Minnas südlicher Akzent ist so schwer geworden, seit die neuen Patienten gekommen sind, daß es sich anhört, als wär sie gestern aus dem Mississippi rausgefischt. Jesus, Mädels, wie ich die hasse!… Nach dem Abendbrot hat mich die Alte Dame wieder zu ’ner kleinen Unterhaltung in ihr Büro gerollt. ,Miß Kelly, Sie dürfen nicht lesen. Miß Kelly, Sie dürfen nicht reden. Miß Kelly, Sie müssen ruhen.‘ Die mäkelt genau so an mir rum, wie meine Oma früher. Wenn ich bloß rauskönnte aus diesem Stall! Minna behauptet jetzt, daß ihre süüßen kleinen Lungelchens sieben Jahre zum Gesundwerden brauchen… ich hab ihr gesagt, sie soll sich lieber ’nen bißchen beeilen, sonst geht ihr olles süßes Dickerchen eines Tages noch fremd und sucht sich ’ne andere. Jesus, die ist vielleicht hochgegangen!“
Kimi sagte: „Arme, kleine Eileen, sie begreift überhaupt nicht, was Tuberkulose ist. Ich fürchte, sie wird sterben.“ Ich entgegnete heftig: „Kimi, seien Sie nicht so entmutigend“ aber ich wußte, daß sie recht hatte.
Mit der Verlegung hatte sich mein Badetag auf Montag verschoben. Dies bedeutete, daß mein Bad überstürzt und flüchtig sein mußte, denn die Schwestern waren am Montag überarbeitet und ungeduldig, und daß ich an beiden Besuchstagen schmutzig war. Es regnete, ein heftiger, prasselnder Regen, und als ich mein klammes Badetuch und den feuchten, klumpigen Puder herausholte, dachte ich sehnsuchtsvoll an heiße Badewannen und kochende Duschen.
Kimi lag mit geschlossenen Augen im Bett, und aus jedem Nasenloch piekten zwei lange Stifte hervor. An diesem Morgen hatte sie über „Prickeln in der Nase und kleinen Kopfschmerz“ geklagt. Sie hatte mir im Vertrauen gestanden, daß sie auf Aspirin und einen größeren Krug mit Fruchtsaft hoffe, die Sanatoriumsbehandlung bei Erkältungen. Statt dessen war der junge Arzt zurückgekommen und hatte in jedes ihrer Nasenlöcher Höllensteinstifte gesteckt. Er hatte der Oberschwester zugeblinzelt und Kimi angewiesen, die Stifte mindestens eine halbe Stunde lang in der Nase zu lassen. Wie eine wütende burmesische Tänzerin sah sie aus.
Ein Rollstuhl knarrte vorbei. Ich sah erwartungsvoll hoch, aber es war nur wieder eine Patientin, die zur Halsbestrahlung mußte. Kimi und ich hatten von Katy erfahren, daß die Schilder mit der Aufschrift Schweigen! keine Strafe bedeuteten, wie wir gemeint hatten, sondern nur, daß diese Patienten Kehlkopftuberkulose hätten, und vermutlich vereiterte Stimmbänder. Sie bekamen jeden Morgen Höhensonnenbestrahlungen in den Hals. Das Bestrahlungszimmer war ein kleiner Raum direkt gegenüber dem Büro der Oberschwester, und Kimi erzählte mir, daß es nicht nur für Halsbestrahlungen benutzt würde, sondern den sterbenden Patienten für ihre letzten Atemzüge vorbehalten sei. Sie sagte: „Wenn Sie da reinkommen, Betty, müssen Sie Ihr Testament gemacht haben.“
Trotz Kimis düsterer Reden war noch niemand gestorben, seit ich im Fichtenhain war. Margaretta, ein schönes Negermädchen aus einem der Privatzimmer, bekam Halsbestrahlungen, und jedesmal, wenn sie vorbeikam, sagte Kimi: „Das ist sicher ihre letzte Fahrt.“
Sogar Katy gab zu, daß sie ein hoffnungsloser Fall sei; aber bis jetzt war es nicht schlimmer mit ihr geworden.
An diesem Morgen hatte Margaretta uns zugewinkt, als sie vorbeikam, und obwohl sie sehr dünn war, fand ich, daß sie vergnügt und sehr lebendig aussah. Ganz und gar nicht wie die Kameliendame oder die „arme kleine Beth“. Ich hatte Kimi das gesagt, aber sie hatte nur entgegnet: „Die strahlenden Augen und rosigen Backen sind kein Zeichen von Gesundheit – das ist die Krankheit.“
Der Regen prasselte weiter. Mein Bett war kalt und feucht wie ein leeres Haus. Schmalzgesicht hatte unsere Morgen-Wärmflasche gefüllt und uns kühl und tropfend hingeworfen. Nichts ist so kalt wie eine kalte Metallwärmflasche. Ich stieß meine mutwillig nach unten, zwischen Matratze und Bettende. Kimi sagte: „Ich glaube, von jetzt ab wird es mir sehr gut gehen.“ Ein Rollstuhl polterte in unser Zimmer und Schmalzgesicht schimpfte: „Patienten dürfen nicht sprechen, Miß Sambo.“ Mir befahl sie: „Nun mal rasch, Sie, ich hab heut vormittag noch vier Bäder zu machen!“
Sie stopfte mich in Bademantel und Pantoffel, und wir tobten los, stießen gegen alle Wände und prallten so heftig mit einer gutgläubigen, neuen kleinen
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