Einmal scheint die Sonne wieder
ihr Besuch sei. Madge zog bereitwilligst um, und Kate erzählte ihr, wie sie als Sekretärin in einer großen Ölgesellschaft gearbeitet, über ein Jahr gehustet hätte, sehr dünn gewesen sei, eines Tages bei der Arbeit ohnmächtig geworden und über eine Stunde bewußtlos geblieben sei, und wie die Betriebsschwester sie in die Fichtenhain-Klinik geschickt hätte.
Der Chefarzt hatte ihr wenig Mut gemacht, ihr gesagt, daß beide Lungen stark angegriffen seien und er wenig Hoffnung habe, sie zu retten. Auch da hätten weder sie noch ihre Mutter die Schwere der Krankheit zu erkennen vermocht und nicht eingesehen, weshalb sie in ein Sanatorium gehen solle, und warum sie nicht zu Hause gesund werden könne. Der Chefarzt hatte ihnen gesagt, daß das nichts helfen würde; aber sie hatten es trotzdem auf drei Monate versucht. Nach Ablauf dieser Zeit war Kates Mutter erschöpft von dem Versuch, sie zu pflegen, Kate von dem Versuch, ihre Mutter zu schonen und den Besuch zu unterhalten, der zu jeder Tages- und Nachtzeit kam, und die Röntgenaufnahmen hatten keine Fortschritte gezeigt.
Kate kam in den Fichtenhain. Zuerst bekam sie einen Pneumothorax, alles ging gut, und sie kam sogar sechs Monate in die Ambulanten-Station. Dann bekam sie ein Empyem, wurde sehr krank und mußte wieder ins Bett. Ihre Pleurahöhle mußte ihr jede Woche mit einer Chlorlösung ausgewaschen werden, und sie hatte eine Ablösungs-Operation gehabt. Sie zeigte uns die halbmondförmige Wunde, die sich auf ihrem dünnen Rücken von der rechten Schulter bis unter den rechten Arm zog. Sie sagte, daß sie glaube, sie müsse sterben, aber es wäre ihr gleich.
Mary sagte: „Unsinn, Sie sterben nicht. Millionen Menschen haben ein Empyem – das ist so was Alltägliches wie Masern,“ was natürlich völlig unsinnig war, Kate aber aufzuheitern schien, die Mary von dem Schweben und dem grauen Nebel erzählte. Mary sagte: „Unterernährung, die Symptome treten häufig auf. Ihr Magen ist sicherlich auf die Größe eines Holzapfels eingeschrumpft. Hier, essen Sie ein paar Kekse!“
Da Mary mit einem Arzt verheiratet war, glaubte sie mehr von Medizin zu verstehen als der ganze amerikanische Ärzteverein zusammen; aber die einzigen Leute, die sie behandeln durfte, waren ihre Angehörigen. Die wußten schon, daß Mary alle ihre Symptome immer als Merkmale derjenigen Krankheit diagnostizierte, an die sie sich zufällig aus der letzten medizinischen Zeitschrift erinnerte. Als Dede ihren Weisheitszahn bekam, redete ihr Mary ein, daß sie alle Symptome einer seltenen südamerikanischen Virusinfektion habe; als Alison sich beim Skilaufen das Bein brach, hatte Mary gerade etwas von psychosomatischer Medizin gehört und erklärte Mutter, Alison könne ja einen Gips tragen, wenn sie durchaus wolle, aber die ganze Sache käme eindeutig von ihrer Psyche.
Sie hatten anscheinend die Psyche wieder aufgegeben und sich statt dessen mit kleinen Holzapfelmägen und den wie Masern verbreiteten Empyemen beschäftigt; aber gleichgültig, was es war, es heiterte Kate auf, bewirkte, daß sie mehrere Kekse und ihr ganzes Abendbrot aß und veränderte offensichtlich ihre Einstellung zum Sterben, denn sie sprach nie wieder davon.
Vermutlich war es der natürliche Verlauf der Krankheit, aber es mag auch, wie Kate behauptete, auf meinen aufheiternden Besuch zurückzuführen sein, daß ihre Temperatur schon am nächsten Tag anfing zu sinken, daß sie gesund zu werden begann und wir beide am 21. Februar die Erlaubnis bekamen, drei Stunden aufzustehen.
VIERZEHNTES KAPITEL
Ambulanten-Station
Der 24. März war ein Frühlingstag. Ein schöner, vorschriftsmäßiger Frühlingstag, genau wie auf den Bildern in den Schulbüchern. Die Sonne schien klar und warm, sie hob die aufrechten, blaßgrünen Pappeln und die festgestopften weißen Wölkchen durch eine saubere schwarze Umrandung gegen den glatten blauen Himmel ab. Überall erklangen freundliche, vertraute Frühlingsgeräusche. Ein Flugzeug summte geschäftig durch die heitere Atmosphäre, ein Schiff tutete gewissenhaft, als es sich vorsichtig seinen Weg durch die kleinen Inseln des Sundes bahnte, ein Hahn krähte, aus der Ferne kam rhythmischer Hammerschlag, eine Rasenmähmaschine schwirrte, Heckenscheren klapperten eifrig.
Es war der richtige Tag, saubere weiße Kleider herauszuhängen, im Garten zu graben, neue Rollschuhe auszuprobieren, eine Schaukel aufzuhängen, aber Kate und ich mußten uns damit bescheiden, in Liegestühlen auf der
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