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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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Jahr das Aufstehen wieder verboten hatte, war ich nicht erpicht, ihnen von Kates und meiner Untersuchung zu berichten.
    Als ich an die Tür unseres Zimmers kam, sah ich erleichtert, daß Lizzie eingeschlafen und Mrs. Harmon fort war. Ich kletterte ins Bett, und dieses eine Mal taten die eiskalten Decken meinem aufgeregten, heißen Körper wohl. Ich sah in den Spiegel, und wie ich befürchtet hatte, war mein Gesicht mit tomatenroten Flecken gesprenkelt. Ich legte meinen kalten, feuchten Waschlappen darauf und schloß die Augen. Mein Herz pochte bum, bum, bum, und meine entwöhnten Muskeln zuckten krampfhaft wie bei einem sterbenden Küken; natürlich mußte sich die Oberschwester diesen Augenblick zum Messen und Pulsfühlen aussuchen. Nach etwa einer Minute sagte sie: „Sie sind aufgeregt, ich komme später noch mal. Aber wenn Sie heute nachmittag in die Ambulanten-Station wollen, sorgen Sie lieber dafür, daß der Puls heruntergeht.“ Es hörte sich streng an, aber sie lächelte, und ich wußte, daß sie sich über meinen Fortschritt freute und sicher froh war, mich loszuwerden.
    Dann kam Kate herein, und die Oberschwester sagte ihr, daß auch sie heute nachmittag in die Ambulanten-Station gehen solle. Daß wir bis zur Verlegung still liegen und uns ausruhen sollten. Ebensogut hätte sie verlangen können, daß man an seinem Hochzeitstag still liegt und sich ausruht; aber wir versuchten es. Lizzie und Mrs. Harmon waren rührend großzügig mit ihren Glückwünschen und genau so alle anderen Patienten, die von unserem Glück erfuhren. Ich hatte sogar einen Brief von Eileen, die trotz ihrer optimistischen Voraussagen im Januar bis jetzt noch nicht aufstehen durfte.
    Sie schrieb: „Ich hoffe, daß ich irgendwann auf die Ambulanten-Station komme; aber wartet nicht auf mich. Ich habe eine Neue in meinem Zimmer, und die setzt der Alten Dame vielleicht zu! Delores heißt sie und war Sängerin in einem Nachtklub. Sie sieht bestimmt gut aus und kriegt immerzu kleine Schmerzen, die der Arzt ansehen muß; und wenn er an ihr rumdrückt, macht sie jedesmal die Augen halb zu und sagt: ,Oohhhhhh, Doktaa‘; Der neue junge Arzt nimmt ihr das nicht übel, aber die Alte Dame geht einfach in die Luft… Jackie kommt nicht mehr raus… Er hat Oma erzählt, daß er Sanatorien nicht leiden kann; aber ich hab ziemlich sicher raus, daß er ein neues Mädchen hat, ein billiges, kleines Flittchen mit blonden Haaren und gesunden Lungen.
    Na ja, es gibt noch mehr Kieselsteine am Strand… Wenn Sie mit Waschwasser herkommen, sehen Sie bestimmt zu, daß viel und heißes Wasser da ist…“
    Natürlich konnte ich während der Ruhezeit nicht schlafen; aber da ich wußte, daß ich unter strenger Beobachtung stand und gleich nach dem Aufwachen Puls und Temperatur kontrolliert werden würden, hielt ich meine Augen geschlossen und versuchte, mich zu entspannen. Jede Minute kam mir wie eine Stunde vor, und jede Stunde wie ein Jahrhundert, aber schließlich wurde es 2 Uhr 30, der Verpflegungswagen kam hereingerasselt, und gleich hinter ihm Schwestern mit Karren für unsere Sachen und das Bettzeug und die Oberschwester mit einem Rollstuhl für mich. Wir schlugen den üblichen Weg ein, ins Kellergeschoß und zu den Tunnels, bogen dann aber überall nach links ab anstatt nach rechts, wo es zur Röntgenstation ging, und kamen schließlich zu einem einfachen, niedrigen Gebäude, in dem der Speisesaal, die Untersuchungsräume und das Büro der Oberschwester der Ambulanten-Station unter gebracht waren.
    Nach einem Brief von Kimi, die drei Wochen vorher in die Ambulanten-Station gekommen war, war diese Oberschwester die „gräßlichste aller Kreaturen – honigsüß, wenn sie redet, spritzt aber aus jeder Pore ihres plumpen, kurzen Körpers Gift“. Daher war ich nicht allzu überrascht, daß sie, nachdem die Oberschwester der Bettlägerigen-Station fortgegangen war, zu mir sagte: „Sie sind ein Problem gewesen, Mrs. Bard.“ Ich antwortete: „Das tut mir leid,“ worauf sie sagte: „Daß es Ihnen leid tut, ist nicht genug, Mrs. Bard. Wir brauchen einen Beweis für Ihren guten Willen. Einen Beweis für Ihre Vertrauenswürdigkeit. Einen Beweis dafür, daß wir stolz sein können, Sie auf unserer Station zu haben.“ Ich wußte nicht, worauf sie hinaus wollte. Wie konnte ich, während ich mit meinem blauwollenen Bademantel in einem Rollstuhl saß, plötzlich den Beweis für meinen Gemeinschaftsgeist erbringen? Ich sagte: „Ich weiß nicht, was Sie meinen.

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