Einmal scheint die Sonne wieder
Sanatorium stünde, sei noch niemand so unbeliebt gewesen. Kimi meinte: „Aber falls es zum erstenmal passiert, halte ich zu Ihnen. Dann sitzen zwei Parias miteinander an dem einen einsamen Tisch.“
Die Oberschwester bedeutete Kami und Sheila mit ihrem Spatel, daß sie sich anstellen sollten, und so huschten sie davon, und wir anderen aßen unser Abendbrot mit der Begleitmusik von Leilas Klagen. Schließlich sagte Sylvia: „Leila, Schwestern machen keine Fehler. Ich bin seit zwanzig Jahren in Krankenhäusern und Sanatorien und habe noch nie gehört, daß eine Schwester eine falsche Medizin ausgeteilt hat.“ Kate stieß mich an und sagte sehr deutlich: „Ich hab noch was zu erwarten, wie?“
Nach dem Abendbrot wurde ich ins Bett zurückgefahren. Um 5 Uhr 30 machten die Oberschwester und der Hausarzt ihre Visite; um 6 Uhr 30 bekamen wir heiße oder kalte Milch; um 7 Uhr wurde das Radio angestellt. Es war so laut, daß man jedes Wort verstehen konnte, und gerade vor unserer Tür ein Schalter, mit dem wir es lauter oder leiser stellen konnten, ganz wie wir wollten. In der Bettlägerigen-Station wäre das der Gipfel des Luxus gewesen, aber hier machte es mir gar keinen Eindruck.
Ich hatte über so vieles andere nachzudenken, so viele andere Freuden. Ich konnte im Bett liegen, meine Füße an eine heiße Wärmflasche schmiegen und zuhören, wie die Frösche zum Willkomm quakten. Ich konnte die süßen Frühlingsdüfte einatmen und zuschauen, wie der Abend durch den Kirschgarten kroch. Ich konnte die schmale Mondsichel wie einen Spiegelsplitter über einer struppigen schwarzen Tanne hängen sehen. Ich konnte an ein Bad in einer Wanne am nächsten Morgen denken. Von der ungewohnten Bewegung tat mir der ganze Körper weh; ich wußte, daß die Oberschwester mich als Zielscheibe für ihre Giftpfeile ausgesucht hatte; ich hatte längst nicht genug zum Abendbrot bekommen – aber noch bevor das Licht gelöscht wurde, schlief ich ein.
FÜNFZEHNTES KAPITEL
Acht Stunden auf
Am nächsten Tag nahm ich ein Bad in einer Badewanne, das erste seit genau sechs Monaten. Das Badezimmer, gleich um die Ecke neben unserem, bestand aus einer Reihe von kleinen, einfachen Holzkabinen, die stark nach Desinfektionsmitteln und Feuchtigkeit rochen. Es hatte einen Vorraum mit großen Körben für schmutzige Handtücher und Schlafanzüge, einem Gestell mit Zeitungen, die als Badeteppiche zu benutzen waren, und gedruckten Anweisungen, die weithin sichtbar angebracht und zum Schutz gegen den Dampf sorgfältig in Glas gerahmt waren. Die Anweisungen lauteten: „Schließe nicht die Tür ab… Rede nicht über Schwestern und Ärzte… Verlasse das Badezimmer niemals in unordentlichem Zustand… Das Badewasser darf nicht zu heiß sein… Bestiehl die anderen Patienten nicht… Huste nicht, ohne ein Tuch vor den Mund zu halten… usw. usw.“ Ganz fett gedruckt und am Schluß der Liste stand: „Patienten, die sich den Vorschriften nicht fügen können, müssen nach Hause geschickt werden.“ Von dem Vorraum ging es in zwei Duschräume mit Holzbelag auf dem Fußboden, eine Besenkammer, eine Toilette und zwei kleine Räume mit je einer großen weißen Badewanne.
Eine Schwester hatte mir bereits das Wasser einlaufen lassen, was nur für Patienten mit drei Stunden Aufstehzeit gemacht wurde, und ich stürzte mich ins Badezimmer, wo ich eine dampfende Wanne vorzufinden hoffte. Was mich erwartete, war eine Wanne, deren Boden knapp bedeckt war, offenbar zu gleichen Teilen mit lauwarmem Wasser und einem Waschmittel, denn in grauen Dünsten stieg ein scharfer Desinfektionsgeruch aus der Wanne auf. Ich schloß bedenkenlos die Tür zu, ließ das Wasser ab, spülte das Waschmittel aus, tat dafür mehrere Hände voll Badesalz hinein und füllte die Wanne bis obenhin mit warmem Wasser. Das gesteigerte Gefühl von Wohlbehagen, mit dem ich in das warme, duftende Wasser stieg, wird für immer einzigartig bleiben, ebenso einzigartig wie die unerwartete Zwanglosigkeit, mit der mich der Pförtner, der in den Vorraum hereinstürzte und wieder hinaus, die Körbe leerte, Besen und Mops auswechselte, über die beunruhigend niedrige Tür meines Badezimmers unterhielt.
„Nichts geht über ’nen Wannenbad,“ sagte er. „Wohl Ihr erstes?“ – „Ja, mein erstes,“ antwortete ich, seifte meinen Waschlappen ein und wagte nicht aufzugucken, weil ich Angst hatte, ihn über die Tür äugen zu sehen. Ich wusch meinen linken Oberschenkel. „Riecht aber gut, was Sie da drin
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