Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
Vom Netzwerk:
haben,“ sagte der Pförtner, geräuschvoll schnüffelnd und der Tür viel zu nahe. „Nelken,“ antwortete ich und griff sicherheitshalber nach der Zeitung. „Ich bin ja mehr für ’ne Dusche,“ meinte der freundliche Mann auf der anderen Seite der dünnen Wand dicht hinter meinem Kopf. „Ob ich dusche oder bade, ist mir egal, Hauptsache ich bin allein dabei,“ gab ich ihm zu verstehen. Es war vergebene Liebesmühe. „Gott, als wir klein waren,“ sagte er beim Auszählen der Handtücher, „waren wir elf, und Mutter hat immer drei, vier auf einmal in die Wanne gesteckt.“ Das hörte sich langsam unheilvoll an, als müßte ich jeden Augenblick Platz machen. „Was Ihre Mutter gemacht hat, geht mich nichts an…“, hatte ich gerade gereizt angefangen, als eine neue Badenixe in den Vorraum kam. „Nanu, Janet,“ sagte der Hüter des Badezimmers, „ich dachte, Donnerstag wäre Ihr Tag.“ Ich wäre nicht überrascht gewesen, hätte er hinzugefügt: „Ihr Muttermal ist ja immer noch da.“ Mein Bad endete bei einer Flut von Unterhaltungen zu dritt, und von mehr als nur meiner Sauberkeit berauscht, kehrte ich in mein Bett zurück.
    Zwei Tage nach meinem ersten Bad ging ich zum Haarwaschen in den Frisiersalon. Er lag im Kellergeschoß der Ambulanten-Station und wurde von ihren Patientinnen betrieben; nur bei den Kranken mit drei Stunden Aufstehzeit übernahmen Schwestern die Haarwäsche. Unglücklicherweise unterschied sich das Haarwaschen im Frisiersalon für mich nur durch die Örtlichkeit von den früheren, denn Schmalzgesicht, die in die Ambulanten-Station versetzt worden war, wusch mir den Kopf, und als sie fertig war, war mein Haar genau so schmutzig wie vorher und so voller grüner Seife, daß beim Kämmen auf dem feuchten Kamm ein Rand blieb.
    Sigrid hatte mich darauf vorbereitet, daß nach der Routine der Ambulanten-Station als nächstes ein Besuch im Büro der Oberschwester und eine kleine Unterhaltung zu erwarten sei. Die Oberschwester sagte: „Freundschaften zwischen Männern und Frauen fördern wir nicht, Mrs. Bard. Bei der Tuberkulose ist die Liebe die schlimmste Komplikation, Mrs. Bard. Verstöße gegen die Vorschriften werden bestraft mit dem Entzug der Besuchs- oder Kinoerlaubnis, mit der Ablehnung der Gesuche auf Stadturlaub oder damit, daß wir Sie nach Hause schicken, Mrs. Bard. Ich hoffe, es wird Ihnen hier gefallen, und Sie werden weiter so ausgezeichnete Fortschritte machen.“ Ich sagte nichts, und wir schieden als Freunde.
    Mein erster Besuch, Mutter und Madge, waren genau so begeistert von der neuen Umgebung wie ich.
    Mutter brachte mir ein ganzes Dutzend Saftbüchsen und eine große Schachtel mit Gebäck, die Sigrid alle in meinen alten Nachttischbeutel stopfte und hinter die Kleider und Wolljacken in meinen Schrank hängte. Wir waren alle immerzu ausgehungert, durften aber in unseren Zimmern, die regelmäßig durchsucht wurden, kein Essen aufheben. Mutter brachte mir auch einen schicken Hausanzug aus türkisfarbener Seide, den ich vor der Zeit im Fichtenhain getragen hatte. Ich zog ihn über, aber er saß ganz eng an und war sehr unbequem. Das unmerkliche Ansetzen von überflüssigem Fleisch war der Preis, den ich für meine gut abgekapselten Tb-Bazillen zu zahlen hatte. Als ich das erstemal mit meinem Besuch in den Speisesaal ging, schrie meine Schwester Alison los, als ich vor ihr stand. „So was Dickes ist mir noch nicht vorgekommen!“ Mutter sagte: „Guck aber mal, was sie für einen geraden Rücken hat.“ Ahson meinte: „Nichts an ihr ist gerade, so viele Rundungen hab ich im Leben noch nicht gesehen.“
    Am Ende der ersten Woche wurde ich aufgefordert, mich an Kimis Tisch zu setzen. Am gleichen Tisch saßen Pixie, Kimis frühere Zimmergenossin, die immer noch wie „ein Spatz“ aß und eine ernste, schwarzhaarige Schottin, die seit sieben Jahren im Fichtenhain war.
    Am Sonntagmorgen um 5 Uhr hörte ich, wie die freundlichen katholischen Patres mit ihren sanftmütigen Gesichtern leise auf dem Flur von Zimmer zu Zimmer gingen und den Segen über ihre Pfleglinge sprachen. Ich hatte sie oft in der Bettlägerigen-Station gesehen und das leise Murmeln ihrer Stimme gehört, und obwohl ich der protestantischen Kirche angehöre, habe ich mir oft gewünscht, einer von ihnen möchte an meinem Bett stehenbleiben, und oft gedacht, daß nur die katholische Kirche ein echtes religiöses Gefühl kennt. Die anderen Pfarrer kamen zwar auch, aber doch nur gelegentlich und meist in den

Weitere Kostenlose Bücher