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Eins, zwei, drei und du bist frei

Eins, zwei, drei und du bist frei

Titel: Eins, zwei, drei und du bist frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Evanovich
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hinein und wartete ab, bis ich einen klaren Kopf hatte. Ich fuhr mir mit der Zunge über die Zähne. Es waren noch alle da. Behutsam tastete ich meine Nase ab. Meine Nase schien auch heil geblieben zu sein.
    Irgendwoher mußte das Blut kommen. Ich ertrank ja förmlich in Blut.
    Ich drückte mich auf alle viere hoch und erkannte die Quelle. Eine Leiche, die mit dem Gesicht nach unten in dem schmalen Flur lag. Durch die geöffnete Hintertür fiel das Licht einer Lampe von der Gasse in den Flur, wodurch ich den Mann auf dem Boden erkennen konnte.
    Es war der Kerl, der mich an die Wand geknallt hatte.
    Ich kroch ein Stück vor, um ihn mir aus der Nähe anzusehen, und entdeckte hinten auf dem Rücken ein Loch im Hemd, wo die Kugel eingetreten war, und ein ähnliches Loch am Hinterkopf. Die Wand zu meiner Rechten war mit Blut und Gehirnmasse und den Resten der linken Gesichtshälfte des Toten bespritzt. Sein rechtes Auge war unverletzt, weit aufgerissen, mit leerem Blick, der Mund stand offen, als wäre der Mann im Augenblick des Todes leicht überrascht gewesen.
    Das Geräusch, das sich in meiner Kehle formte, war Schreien und Würgen gleichzeitig. Ich strampelte mich frei, rückte weg von der Leiche, fuchtelte mit den Armen, suchte nach einem Halt, wo keiner war. Ich plumpste nach hinten, landete auf dem Fußboden, mit dem Rücken zur Wand, unfähig zu denken, schwer atmend. Ich war mir nur bewußt, daß die Zeit verging. Ich unterdrückte einen Brechreiz und schloß die Augen, und ein Gedanke stahl sich in den Schrecken, ein hoffnungsvoller Gedanke. Daß es vielleicht doch nicht so schlimm war, so endgültig. Daß der Mann gerettet werden konnte. Daß ein Wunder geschehen würde.
    Ich öffnete die Augen, und alle Hoffnung schwand dahin. Den Mann auf dem Boden konnte auch ein medizinisches Wunder nicht mehr zum Leben erwecken. An meiner Jeans klebten Gehirnmasse und Knochensplitter. Mein Angreifer war ermordet worden, und ich hatte es nicht gemerkt, hatte bewußtlos auf dem Klo gelegen. Eine lächerliche Vorstellung.
    Und der Mörder? Meine Güte, wo war der Mörder? Mein Herzmuskel zog sich schmerzhaft zusammen. Bestimmt versteckte er sich noch irgendwo im Schatten und beobachtete, wie ich mich abrackerte. Meine Handtasche lag auf dem Fußboden, unter dem Handwaschbecken. Ich faßte hinein und holte meine Pistole heraus. Die Pistole war nicht geladen. Scheiße. Ich war ein echter Versager.
    Ich erhob mich in geduckter Haltung und sah durch die geöffnete Hintertür. Der Hof war zum Teil erleuchtet, so wie der Flur. Mir war kalt, eine Kälte, die nichts mit dem Wetter zu tun hatte. Ich war in Schweiß gebadet, mich fröstelte vor Angst. Ich wischte mir die Hände an meiner Jeans ab. Auf die Tür zu und dann auf die Ferris Street laufen, dachte ich.
    Ich biß die Zähne zusammen und startete durch, stolperte über die Leiche im Weg. Ich stürmte durch die geöffnete Tür, raste an der Rückseite des Hauses entlang, um die Ecke, auf die andere Straßenseite. Ich lief im Schatten, blieb stehen, um Luft zu schnappen, und suchte meine Umgebung danach ab, ob sich irgendwo etwas bewegte, das Metall einer Waffe aufschimmerte, einer Gürtelschnalle.
    In der Ferne ertönte eine Sirene, und am Ende der Straße sah ich das aufflackernde Blaulicht eines Streifenwagens. Jemand hatte die Polizei gerufen. Aus der Lindal Street bog ein zweiter Wagen in die Straße. Die beiden Autos kamen an der Bordsteinkante vor dem Laden zum Stehen. Die Beamten stiegen aus und richteten den Strahl einer Taschenlampe in das Schaufenster. Ich kannte keinen der Männer.
    Ich verdrückte mich in den Winkel zwischen Treppe und Veranda zwei Häuser weiter. Ich behielt die Straße im Blick und kramte in meiner Tasche nach meinem Handy. Ich fand es und wählte Morellis Nummer. Morelli war ein sehr guter Polizist, von meinen persönlichen Gefühlen mal abgesehen. Ich wollte, daß er vom Morddezernat als erster am Tatort war.
    Mitternacht war längst vorüber, als Morelli mich nach Hause brachte. Er stellte seinen Toyota auf dem Parkplatz ab und begleitete mich ins Haus. Er drückte den Knopf im Aufzug und stand schweigend neben mir. Keiner von uns beiden hatte ein Wort gesprochen, seit wir die Wache verlassen hatten. Wir waren viel zu erschöpft, um mehr als das Nötigste zu sagen.
    Ich hatte Morelli den Tathergang beschrieben und erhielt die Anordnung, mir meinen Kopf im St. Francis Hospital untersuchen zu lassen, auf innere und äußere Verletzungen. Man

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