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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Mystifizierung und ohne Mystifizierung keine Liebe. Jedenfalls nicht eine, wie sie sie sich vorstellt. Als den Rahmen sprengende, aufregende Leidenschaft. Bedenklich an diesem Plan ist allerdings, daß sie offenbar nicht nur Sig um den Verstand zu bringen in der Lage ist, sondern auch sich selbst. Das war nicht vorgesehen.
    Inzwischen ist wieder Leben in der Wohnung. Als sie mit strubbelig frottiertem Haar im Bademantel in die Küche kommt, sitzt da außer Sonni und Marius auch noch dieser breitbeinige Django von vorgestern.
    «Kann ich mal die Zeitung haben?» Sie geht sofort wieder in ihr Zimmer. Dieser Kerl ist ein Kündigungsgrund.
    Sie braucht eine halbe Stunde, um die interessanten Angebote anzustreichen. Dann ruft sie der Reihe nach an. Beim neunten Anruf klingt es vielversprechend. Ein Zimmer, groß, alt, hell und zu teuer, sagt die junge Stimme am anderen Ende der Leitung.
    Regina muß lachen. «Sie sind wohl nicht der Vermieter?» fragt sie.
    Die Stimme antwortet: «Ich bin noch nicht mal im siezbaren Alter. Wenn du nicht sofort aufs Du umsteigst, dann geb ich Ihnen die Adresse nicht.»
    «Gib her», sagt Regina.
    «Das du elegant umgangen, aber gilt noch. Stadtstraße vierunddreißig, oberster Stock, bei Bilgenreuther klingeln.»
    «Bis gleich», sagt Regina fröhlich.
    «Ja, ja», sagt die Stimme frech.
    Mist. Sie hat kein Fahrrad.
    Unter dem penetranten Schweigen von Sonni, Marius und John Wayne, dessen Auszieh-Blicke ihr regelrecht weh tun, schmiert sie sich ein Brot in der Küche. Endlich ringt sie sich durch und fragt Sonni: «Kann ich dein Fahrrad haben?»
    «Ist deins kaputt?»
    «Verliehen.»
    «Klar.»
    Beim Anziehen sieht sie aus dem Fenster. An der Ufermauer steht in riesigen roten Lettern «Guten Morgen, Sonny». Immerhin treibt er einen gewissen Aufwand, denkt sie, das muß ihr ja imponieren.
    Zur Stadtstraße ist es ein ganz schönes Stück. Aber das Wetter ist schön, und Radfahren gehört, seit ihrer Pubertät, in der sie es aus naheliegenden Gründen übertrieb, zu Reginas Lieblingsbeschäftigungen. Sie radelt pfeifend durch die Straßen und schaut sich den ehrwürdigen Stadtteil Herdern an.
    Hier dürfte die Therapeuten- und Anthroposophendichte enorm sein, denkt sie beim Anblick der Gärten und Villen.
    Nummer vierunddreißig ist ein vierstöckiges Gründerjahre-Haus. Vierstöckig, wenn man, wie hier üblich, das Erdgeschoß als ersten Stock rechnet. Umgeben von hohen Bäumen und von der Straße durch einen Vorgarten getrennt, steht es da wie ein alter Bernhardiner. Riesig und gutmütig.
    Bei Bilgenreuther klingelt sie dreimal.
    «Hallo», ruft es von oben, «Tür ist auf.»
    Auf dem obersten Treppenabsatz steht der Mohrenkopfwerfer von gestern. Er hat schon wieder so ein Ding in der Hand und beißt genüßlich davon ab.
    «Hast du ’ne Fabrik oder so was, ’ne eigene Negerkußherstellung?»
    Er grinst: «Ach, du bist das.»
    Er schwingt den halbverzehrten Mohrenkopf zu einer einladenden Gebärde, und sie geht an ihm vorbei in den Flur. Er schließt die Tür hinter ihr und sagt: «Sind alle ordnungsgemäß gekauft. Sogar bei verschiedenen Bäckern. Ich hab noch welche übrig von einer Art Geburtstagfeier.»
    Regina erinnert sich an die Zeitungsnotiz und zieht ihre Schlüsse.
    «War das nicht vielleicht eher eine Art ziemlich eklige Matscherei?»
    «Kann auch sein», grinst er, «jedenfalls ist noch ’n Häuptling für dich da.»
    Er verschwindet in einer der Türen, um sofort wieder mit einem glatten frischen Negerkuli aufzutauchen. Den streckt er ihr hin.
    Das Zimmer hat einen Erker zur Straße hin, Parkettboden, Sprossenfenster und zwei zugemauerte Türen. Die sind häßlich, weil man sie sehen, aber nicht passieren kann.
    «Dreihundertzwanzig?»
    «Warm.»
    «Wann kann ich rein?»
    Das Zimmer wird offenbar noch bewohnt. Eine Stereoanlage auf Obstkisten, ein abgebeizter Schrank, ein peruanischer Wandteppich über einem selbstgebauten Bett und zwei braungestrichene Regale verlieren sich in dem großen, schönen Raum.
    «Am fünfzehnten Mai. Ich heiße Yogi.»
    «Regina.»
    Er bietet ihr Tee an, und bis das Wasser kocht, läßt sie sich von ihm die Wohnung zeigen. Die Küche ist gemeinsam, aber der Kühlschrankinhalt getrennt. Das Bad ist nicht so schön wie das in der Vogesenstraße.
    Dieser Yogi ist nett. Er hat was von einem Spatz. So was Fröhliches, Freches und Lebendiges. Sie mag Spatzen. Und Schwalben. Sig ist eher eine Schwalbe. Zarter und strahlender. Allerdings, ohne von

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